Der Wahrheit verpflichtet
14. August 2025 - Regina Castelberg

Freiwilligkeit der e-ID gilt nicht für jene, die keine Organe spenden wollen

Regina Castelberg
Mit der künftigen Widerspruchsregelung bei der Organspende steht in der Schweiz nicht nur ein Paradigmenwechsel in der Transplantationspolitik an – sie wird auch zum Türöffner für die umstrittene staatliche e-ID. Wer den Organentnahmeplänen widersprechen will, muss dies in einem zentralen Register eintragen lassen, dessen Nutzung ohne digitale Identität nicht möglich sein wird. Damit verknüpfen sich zwei politisch heikle Projekte, deren gemeinsame Umsetzung weitreichende Folgen für Datenschutz und Selbstbestimmung haben könnte.

Update/Präzisierung, 20.08.2025

Sie finden ein wichtiges Update zum Beitrag unten angefügt!

Am 15. Mai 2022 hat das Schweizer Stimmvolk dem Übergang von der bisherigen Zustimmungs- zur erweiterten Widerspruchsregelung bei der Organspende zugestimmt. Das bedeutet: Zukünftig gilt eine Person als potenzielle Organspenderin, sofern sie zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat. Wer keine Organe oder Gewebe spenden möchte, muss diesen Wunsch künftig ausdrücklich festhalten. So weit, so (un-)gut. Vielen ist schon der Gedanke unangenehm, sich erneut in irgendein Register eintragen zu lassen und dies nur, um sich der hochumstrittenen Organspende-Industrie entziehen zu können. Dass so ein Register bisher noch nicht aufgebaut wurde, hatte offenbar einen unschönen Hintergrund: Es scheint, man will Menschen, die bewusst mit sich und ihrem Körper nicht alles machen lassen wollen, praktisch zur e-ID zwingen.

e-ID: Freiwilligkeit nicht einmal nur vordergründig

Der Bundesrat passt dafür derzeit das Verordnungsrecht an. Konkrete Details, wie die Einführung der Widerspruchsregelung praktisch erfolgen soll, werden aktuell überarbeitet. Zu den Plänen schreibt das BAG auf seiner Website das Folgende:

Die Widerspruchsregelung kann frühestens Anfang 2027 eingeführt werden. Der genaue Zeitpunkt ist noch nicht bekannt. Er hängt davon ab, wann die e-ID (staatlich anerkannter elektronischer Identifikationsnachweis) in der Schweiz zur Verfügung stehen wird. Die e-ID wird benötigt für die Registrierung im Organ- und Gewebespenderegister. In diesem elektronischen Register wird man festhalten können, ob man nach dem Tod Organe und Gewebe spenden möchte oder nicht.

Abstimmung im September: Wichtiger Weichensteller

Die neue Widerspruchsregelung bei der Organspende in der Schweiz soll also künftig eng mit der staatlichen elektronischen Identität (e-ID) verknüpft werden. Bürgerinnen und Bürger sollen ihren Entscheid – Zustimmung oder Ablehnung zur Organspende – digital in einem nationalen Register hinterlegen können. Die e-ID dient dabei als angeblich sichere Authentifizierung, um den Willen eindeutig einer Person zuzuordnen und Missbrauch verhindern zu können. So werde der Widerspruch oder die Zustimmung rechtlich verbindlich und für Spitäler im Notfall schnell abrufbar. Es sind also die üblichen Argumente, wie Sicherheit und Bequemlichkeit, welche die Menschen in Richtung totale Überwachung treiben soll – und mit diesem Kniff über die Organsspende sollen nun auch die Freiheitsliebenden dazu genötigt werden.

Die Abstimmung am 28. September über die Einführung der e-ID, welche das Schweizer Volk eigentlich bereits schon einmal abgelehnt hat, wird also entscheidend sein, wie gläsern wir in Zukunft sein müssen, damit wir im Notfall nicht gegen unseren Willen ausgeweidet werden.

Update/Präzisierung, 20.08.2025:

Im obigen Beitrag unerwähnt blieb, dass auf der Website des Bundes beim Artikel «Widerspruchsregelung bei Organspende: Eröffnung der Vernehmlassung», der am 1. Mai 2024 erschienen ist, folgendes festgestellt wurde:

Das Inkrafttreten der Widerspruchsregelung hängt somit vom Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die elektronische Identität ab, das nach derzeitiger Planung 2026 erfolgen sollte. Es bleibt auch in Zukunft möglich, seinen Willen zur Organspende auf andere Weise zu äussern, zum Beispiel via eine Organspende-Karte.

Als weiteres Beispiel könnte hier nebst anderen Möglichkeiten auch noch die Patientenverfügung stehen. Diese Alternativen werden im Link oben im Artikel, der auf den Beitrag des BAG führt, jedoch nicht direkt genannt, auch nicht, ob die verschiedenartigen Möglichkeiten, seinen Willen festzuhalten, gewichtet oder wie sie miteinander verknüpft werden. Eine digitale Erfassungen der Daten ist, wie es scheint, vorgesehen. Die sehr schwammige Behauptung «Es bleibt auch in Zukunft möglich ...» lässt aufhorchen – besonders, nach den Erfahrungen mit der SwissID und der Post. Was zunächst als freiwillig verkauft wurde, hat sich innert weniger Jahre zum Obligatorium gemausert.

Was, wenn nach den ersten «Fehlern» im Alltag – beispielsweise, wenn einem Patienten Organe entnommen wurden, weil niemand seine Organspendekarte in seiner Tasche gefunden hat oder die Daten der Spenderkarte ihren Weg in die digitale Wolke nicht geschafft haben – es plötzlich heißt: Es läuft nur noch über das e-ID-Register, alles andere ist zu unsicher und zu verwirrend? Leider ist, gerade bei dieser unklaren Kommunikation seitens der Behörden, mit so einem Vorgehen zu rechnen.

Sehr treffend dazu auch dieser Facebook-Post von Journalistin Joyce Lopes de Azevedo:

Letzte Woche schrieb ich:
«Sie wollen uns zur Organspende zwingen, wenn wir die E-ID ablehnen. Die Unverschämtheit ist masslos.»
Doch nun ist klar: Die Aussage stammte aus einem BAG‑Link, der tatsächlich so fragwürdig formuliert war, dass man fast den Eindruck bekam, man müsse die E‑ID haben, wenn man sich gegen Organspende entscheiden will.
Jetzt hat ein Leser eine andere Bundesmitteilung gefunden – dazu auf admin.ch –, die sagt: Es gibt weiterhin auch andere Möglichkeiten, den eigenen Willen zur Organspende klarzumachen. Also auch ohne E‑ID. Damit ist es weniger zwingend als befürchtet.
Aber wenn man den analogen Widerspruch einlegt (Papier, Testament, Angehörige), werden diese Daten dennoch digital erfasst, damit das Register aktuell bleibt. Und das wirft weiter wichtige Fragen auf:
Was passiert bei einer Datenpanne? Wenn aus irgendeinem Grund das Register nicht abrufbar ist – wer entscheidet dann im Zweifel?
Ich finde die ganze Sache hochgradig heikel und unausgereift. Nicht zu Ende gedacht.

78 9

Schreiben Sie einen Kommentar