Es gibt einen bekannten Witz. Er beschreibt eine Parallele zwischen klassischen Verkaufsvertretern und Politikern. Staubsaugervertreter verkaufen bekanntlich Staubsauger, Versicherungsvertreter verkaufen Versicherungen. Was aber verkaufen Volksvertreter?
Unabhängig von allen Witzen, die man vielleicht über Politiker machen kann, möchte ich hier in Erinnerung rufen, dass die Coronazeit uns tatsächlich viel über das Verhältnis von Politikern, Parlamentariern, Regierungen und dem Volk, dem angeblichen Souverän, gelehrt hat oder haben könnte. Denn die Lektionen aus der Coronazeit wurden nicht gelernt, auch von einer Mehrheit der Bürgerrechtsbewegung, die sich damals gebildet hatte, nicht. Sonst wäre die Einigkeit unter den verschiedenen Gruppierungen größer. Sonst wäre es klarer, um was es geht.
Um das zu verdeutlichen, möchte ich auf das Beispiel eines bestimmten – wie ich meine – bedeutenden Politikers, eingehen. Es ist das Beispiel von Pirmin Schwander, zurzeit SVP-Ständerat für den Kanton Schwyz. Einer von 46 Ständeräten im Parlament, zuvor einer von 200 Nationalräten und seit 30 Jahren in der Politik. Was zeichnet ihn vor anderen Politikern und Kollegen im Parlament aus? Es ist recht einfach und kompliziert zugleich. Es ist, dass er Nein sagt. Es ist, dass er der einzige Poltiker zu sein scheint, der es fertig gebracht hat, in der Coronazeit klar und deutlich sämtliche Coronamaßnahmen nicht nur zu kritisieren, sondern auch die Coronagesetze im Nationalrat abzulehnen. Daraus ergeben sich einige interessante Fragen. Denn woran liegt es, dass ein einziger das Rückgrat hat, in einer Pandemie einen kühlen Kopf zu bewahren und sich gegen offensichtliches Unrecht zur Wehr zu setzen?
Ein paar Hinweise auf den unbändigen Willen seinen eigenen Weg zu gehen, finden wir in seiner Biographie, von der er gerne in seinen Vorträgen erzählt. Als Bauernjunge im Kanton Schwyz aufgewachsen, muss er auf dem elterlichen Hof mithelfen, entwickelt aber schon früh den Drang, alles anzuzweifeln und Hergebrachtes zu kritisieren. Dabei trifft er stets auf Ablehnung durch das System, in dem er aufwächst. Weder der Pfarrer, noch der Deutschlehrer, noch später die Politik und Behörden, können ihm eine Antwort auf seine Fragen geben. Im Gegenteil, sein Fragen stört, ist unerwünscht, wird unterbunden. Auch am Gymnasium erfährt er Ablehnung und fühlt sich unverstanden. Dabei sind seine Fragen berechtigt, getragen von einer tiefen Sehnsucht, die Welt zu begreifen und Freiheit zu finden – etwas, das ihm als Kind offenbar verwehrt bleibt. Immer wieder gerät er an Grenzen, handelt sich Widerspruch ein. Denn weder sein Fragen noch sein Interesse an der Welt finden Anklang. Er entwickelt philosophische Neigungen und fährt schon mal von Schwyz nach Zürich, um sich ein Buch von Thomas Morus auszuleihen.
Schließlich landet er in der Politik, mehr widerwilllig, wie er betont. Hier setzt er seine Opposition fort, stellt unbequeme Motionen, hinterfragt beharrlich alles. Und er bleibt dabei, Gesetze abzulehnen, für die er keine befriedigende Begründung erhält.
Pirmin Schwander stellt die Welt in Frage, weil er darauf besteht, die Aufgaben, die ihm begegnen, denkend zu durchdringen. Seit seiner Kindheit treibt ihn der Wunsch an, Dinge zu verstehen, nicht einfach hinzunehmen. Dieser Drang ist stärker als das Bedürfnis, dazuzugehören, stärker als die Angst, aufzufallen – und stärker als jede Bequemlichkeit. Er besitzt eine unerschöpfliche Energie, nachzufragen und seinem Gewissen zu folgen, wenn er keine überzeugende Antwort erhält. Das scheint ihn auszuzeichnen und von allen andern zu unterscheiden. Außerdem scheint er als Jurist auch ein wirkliches Interesse am Recht selbst zu haben, an der Frage was Recht ist, und was recht und richtig ist. Auch das ist eine Eigenschaft, die er nicht mit allen Juristen im Parlament teilt, die oft als Recht verkaufen, was lediglich ihren Interessen und den Interessen derer dient, denen sie in Wahrheit gehorchen.
Aber was lehrt uns das Phänomen Pirmin Schwander? Was bedeutet es, wenn jemand der einzige bleibt, der in einer Pandemie unsinnige, rechtswidrige und menschenfeindliche Gesetze ablehnt, während die übrigen 98 % der Parlamentarier denselben Gesetzen zustimmen? Es zeigt uns zwei Dinge: Erstens, dass unter vielen Menschen nur wenige gute zu finden sind. Es zeigt uns aber auch zweitens, dass das System in dem wir politisieren, offensichtlich nicht dazu geschaffen ist, guten Menschen zum Durchbruch zu verhelfen, sondern im Gegenteil, den Angepassten, Opportunistischsten und Korrumpiertesten.
Das wäre an sich noch keine überraschende Erkenntnis. Es sollte nun aber auch der richtige Schluss daraus gezogen werden.
Wenn Pirmin Schwander der einzige Poltiker ist, der im Gegensatz zu seinen Kollegen gewissenhaft alle Vorlagen prüft und, namentlich in der Coronazeit, nach seinem Gewissen handelt, dann kann es mit dem parlamentarischen System, in dem wir leben, nicht besonders weit her sein. Mit anderen Worten: Wenn in einer Firma 98 % der Mitarbeiter ihre Funktion nicht erfüllen und ihren Job nicht erledigen, dann kann das nicht nur an den Mitarbeitern liegen. Es muss mit dem System zusammenhängen, in dem diese Mitarbeiter tätig sind.
Dies kann jeder unbefangene Blick auf die Tatsachen zeigen. Man kann und konnte mit Informationen, die jedem zugänglich waren, die Untauglichkeit und Falschheit der Coronamaßnahmen, die man im Parlament verabschiedete, prüfen. Man kann und konnte die Unsinnigkeit und Illegitmität der sogenannten e-ID einsehen, wenn man als Parlamentarier oder einfacher Bürger gewillt war, sich zu informieren. Nur: Im Unterschied zum Bürger hat man als Parlamentarier expressis verbis die Pflicht und den Auftrag, Unheil und Nachteile von seinen Mitbürgern fernzuhalten.
Wenn es aber nur einem einzigen Politiker gelingt, diesen Auftrag zu erfüllen, seinem Amtseid nachzukommen und sich unabhängig und engagiert für seine Mitbürger einzusetzen, dann ist klar, dass wir etwas am zugrundeliegenden parlamentarischen System ändern müssen.
Und genau dieser Schluss wird nicht gezogen. Bis heute tun wesentliche Teile der Bürgerrechtsbewegung so, als ginge es bloß darum, die Köpfe im Parlament zu ersetzen und endlich die «richtigen» Politiker zu wählen. Dass dies ein Trugschluss ist, kann man an vielen Beispielen deutlich machen. Am auffälligsten ist die Tatsache, dass es keine Parteigrenzen, keine Ideologien, und keine Abhängigkeiten gibt, die Politiker offensichtlich dazu prädestinieren, ihren Job zu machen. Es gibt nur eines: den unbedingten Willen sich denkend Vorlagen anzueignen, sie auf ihre Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen und selbst im einzelnen nachzuvollziehen, ob sie zum Vorteil oder zum Schaden der Mehrheit der Bevölkerung sind. Wer zu denkfaul ist, taugt nicht zum Parlamentarier, wer zu systemkonform ist, auch nicht. Wer in ökonomischen Abhängigkeiten und in der Abhängigkeit von Lobbys agiert ebensowenig. Genausowenig kommen Leute in Betracht, die nicht intelligent genug sind, komplexe Zusammenhänge zu durchschauen, die aus Opportunismus und Parteihörigkeit handeln oder die ihre eigenen, oder die Vorteile von unbekannten Dritten, in den Vordergrund stellen. Und wir merken: Schon wird es ein klein bisschen eng für die oben erwähnten 98 % der Parlamentarier. Es stellt sich nämlich heraus, und seit der Coronazeit ist es amtlich, dass 98 % der Politiker im Parlament entlassen werden müssten. Sie qualifizieren sich nicht für ihre Aufgabe. Sie machen weder das, wozu sie angestellt, bzw. gewählt wurden, noch das, was sie in ihren Amtseiden schwören oder worauf sie die Verfassung verpflichtet.
Aber damit bekommen wir ein ganz gravierendes Problem. Wenn nämlich nur eine Einzelpersönlichkeit wie Pirmin Schwander aufgrund seiner Biographie und persönlichen Stärke in der Lage ist, den Job im Parlament zu erledigen, dann muss das Parlament ein System sein, dass für 98 % der Mitglieder Bedingungen schafft, die diese an ihrer Aufgabe scheitern lässt. Oder anders formuliert: Das Parlament ist offensichtlich ein Ort, der den durchschnittlichen Politiker dafür belohnt sich opportunistisch, egoistisch und im Sinne seiner Klientelpoltik auf Kosten der Bevölkerung zu profilieren.
Das sind die Fragen, die diskutiert werden müssen. Wie können wir aus dem Parlament einen Ort machen, der keine korrupten Politiker hervorbringt und voraussetzt, sondern aufrichtige?
Eines der vielen Beispiele dafür, warum das nicht so einfach ist, ist die Wahl zum Bundesrat. Warum wurde Pirmin Schwander 2009 nicht Bundesrat?
«Ob aber Pirmin Schwander ins Rennen um die Nachfolge von Bundesrat Schmid steigen darf, entscheidet letztlich die SVP-Fraktion», stellt der SRF-Kommentator fest und erklärt damit gleichzeitig, dass Schwander als Hardliner und konservativer Politiker nicht die besten Chancen habe.
Als Bundesrat ist wählbar, wer für die Mehrheit, und zwar sowohl diejenige, der SVP-Mitglieder, bzw. Entscheidungsträger, als auch die Mehrheit im Parlament, wählbar ist. Und was bedeutet wählbar sein? Wählbar wird man dadurch, dass man eben denjenigen Cliquen einen Gefallen tut, die einem dann portieren, also zur Wahl vorschlagen. Wählbar wird man durch Mehrheitsfähigkeit und diese hängt unmittelbar davon ab, dass man verspricht, denjenigen Leuten entgegenzukommen, die dann wiederum etwas für ihre Stimmen wollen. Unbequem sein, oder nicht konsensfähig, wie das auch negativ dargestellt wird, führt nicht zur Wahl in den Bundesrat. Denn niemand will jemanden im höchsten Amt des Landes, der allzu selbstständig denkt, der alles in Frage stellt, sich weigert, ständig Kompromisse gegen sein eigenes Gewissen zu machen. Viel zu viel hängt davon ab, dass der Bundesrat eine Person ist, mit der man «rechnen» kann, die kontrollierbar, «führbar», durch die Verwaltung bestimmbar und abhängig ist. Würde der Bundesrat seine Führungsrolle hingegen allzustark geltend machen gegen die Verwaltung und im Parlament, enstünde viel zu viel Friktion, die man vermeiden will. Das Mächtegleichgewicht geriete in Gefahr und viele Leute müssten um ihren Einfluss fürchten.
Das Parlament ist der Ort des RECHTSLEBENS. Das bedeutet, dass es im Parlament nur darum gehen kann, wie für die größtmögliche Zahl von Menschen Recht entsteht. Dazu ist nötig, dass Parlamentspolitiker ständig auf unbequeme Fragen insistieren und jedes Gesetz ablehnen, das dazu geeignet ist, Recht zu untergraben und die Mehrheit zu benachteiligen. Dies kann aber nicht geschehen, wenn im Parlament ständig Fragen behandelt werden, die gar keine Rechtsfragen sind.
Und keine Rechtsfragen sind alle Geschäfte, die das Wirtschaftsleben selbst zu organisieren und das Geistesleben selbstständig zu klären hat.
Indem wir nun dem Parlament erlauben, fortwährend Fragen des Geistes- und des Wirtschaftslebens zu entscheiden, wird es fortwährend korrumpiert. Und nur die charakterstärksten Politiker können sich dem Sog entziehen, der so zwangsläufig entsteht. Exemplarisch sichtbar wird dies, neben vielem anderem, am Gesundheits- und am Bildungswesen. Da der durchschnittliche Politiker nichts von diesen Gebieten versteht und selbst weder Arzt noch Lehrer ist, lässt er sich von entsprechend organisierten Lobbys beraten.
Ärzte,- Versicherungs- Krankenkassen- und Pharmalobby beraten die gewählten Parlamentarier gerne, lassen sich deren Wahl auch etwas kosten, und belohnen erfolgreiche «Zusammenarbeit» ab und zu mit einem lukrativen Verwaltungsratsmandat. Und schon hat man die Korruption ins Parlament importiert.
Was heisßt das nun in der Konsequenz? Entweder werden alle Politiker wie Pirmin Schwander. Also kritisch, unabhängig und selbstständig im Denken sowie auch unbestechlich am inneren Kompass orientiert. Oder wir hören auf, dem Parlament Geschäfte zu übertragen, die es nur erledigen kann, indem es sich korrumpieren lässt.
Da es ziemlich unrealitisch ist, dass wir soviele Pirmin Schwanders überhaupt finden in der Schweiz und wir sie, wenn wir sie fänden, auch kaum ins Parlament brächten, bietet sich die zweite Lösung entschieden mehr an. Zumal mit einer Wahl von lauter Pirmin Schwanders das Problem eintreten würde, dass man in vielen Vorlagen gar nicht mehr beschlussfähig wäre. Man würde nämlich fortwährend nicht darauf eintreten. Folglich wäre man wieder an der gleichen Stelle. Man würde aufhören über Vorlagen zu entscheiden, die das Parlament gar nicht regeln kann. Der Staat würde sich radikal reduzieren auf das, was er wirklich regeln kann und alle Belange des Bildungs- und des Gesundheitswesens der Bevölkerung und ihren Interessengruppen überlassen, so, dass diese die Verantwortung dafür übernehmen müssten.
Was die Menschen verstehen müssen, ist, dass das gegenwärtige System die Korrumpierung der Beteiligten, von der Verwaltung bis hin zu den Exekutivorganen voraussetzt und nicht ausschließt. Korrumpierung im Sinne von Interessenpolitik freilich. Und nicht Korrumpierung, indem Politiker direkt bestochen werden. Das ist ja auch gar nicht nötig. Poltiker können heute weniger und weniger unabhängige Entscheide treffen, die nicht von entsprechenden Lobbys und Verwaltungen auf eine oft undurchschaubare Weise vorbereitet wurden.
Das zeigte verdienstvoller Weise auch Nationalrat Remy Wyssmann an einer Pressekonferenz von ABF im Juni dieses Jahres auf.
Da ist es für jeden Politiker einfacher, oder in vielen Fällen sogar unausweichlich, dass er sich von der Verwaltung lenken lässt oder entsprechenden Lobby- Partei- und Klientelinteressen Vorrang einräumt. Wir haben ein System geschaffen, dass, wie Rudolf Steiner sich einst ausdrückte, die Wahl der Schlechtesten befördert. Wenn ein System die Wahl der Schlechtesten fördert, dann kann die Lösung nicht darin bestehen, die jeweils etwas weniger schlechten zu wählen. Dann müssen wir das System ändern.
Es geht darum, den Staat sukzessive aus allen Belangen herauszudrängen, in denen er ohne den Einfluss der erwähnten Lobbys auch keinen Einfluss hätte. Und um mit demjenigen anzufangen, was am dringendsten ist, müssten wir den Staat aus dem Gesundheits- und Bildungswesen schrittweise entfernen. Zeitgleich müssten entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden, wie die Bevölkerung sich in diesen Bereichen wieder selber organisieren kann. Anfangen kann man mit der Aufhebung von Schul- und Krankenkassenobligatorien. Denn Zwang korrumpiert ausnahmslos das Geistes- und Gesundheitswesen zu seinem Nachteil. Obligatoriums-Zwang schafft eine schiefe Grundlage, auf der von vornherein nichts Positives entstehen kann. Deshalb darf es hier keine Obligatorien geben.
Erst indem auf eine staatliche Regulierung des Gesundheits- und Bildungswesens verzichtet wird, können diese Gebiete zu ihrem Recht kommen. Nur indem der Staat aufhört, Bildung und Gesundheit zu tyrannisieren, können sie sich entfalten. Fährt man hingegen fort, durch die erwähnten Lobbys eine gelenkte Politik auf diese Bereiche anzuwenden, müssen sie notwendigerweise degenerieren. Und genau dies ist der Fall. Sowohl das Gesundheits- als auch das Bildungswesen werden Jahr für Jahr teurer und dabei eben nicht besser, sondern schlechter. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Management ausgewechselt werden muss! Der Staat muss von seinem Posten zurücktreten und stattdessen müssen gemeinwohlorientierte, aber privatwirtschaftlich organisierte Zusammenschlüsse von Bürgern das Gesundheits- und das Bildungswesen in die Hand nehmen.
Dass das möglich ist, zeigen viele wertvolle Initiativen und auch die Vergangenheit, in der es selbstverständlich nie so war, dass der Staat Gesundheit und Bildung bestimmt hätte.
Istvan Hunter diskutiert mit Pirmin Schwander und Arzt Andreas Heisler am 15. Oktober um 19:30 in Wangen, SZ im Restaurant Golfpark Zürichsee. Und zwar darüber, wie eine Zukunft der Limitierung des Staates zu seinem besten aussehen kann – seien Sie mit dabei! Der Eintritt ist auf Spendenbasis, anmelden kann man sich unter der folgenden E-Mail-Adresse: laura@provitae.ch