Der Wahrheit verpflichtet
22. März 2023 - Stephan Seiler

Verbannte Bücher

Stephan Seiler
Selbsternannte Sittenwächter verbannen Welt-Literatur aus Universitäten und Schulbibliotheken. Wegen «Kultureller Aneignung» und «zu wenig Diversität».
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News vom 22. März 2023

Seit Beginn der Pandemie, spätestens aber mit der Einführung der ersten Corona-Massnahmen, bildeten Regierungen und Medien eine beispiellose Einheitsfront. Die Zensur von Andersdenkenden gehört seither zum Alltagsgeschäft. Vom Kurs abweichende Meinungen, so wissenschaftlich und faktenbasiert sie auch sein mögen, werden systematisch zensiert. Ein Team um die israelische Medienwissenschaftlerin Yaffa Shir-Raz von der Universität Haifa, zeigte mit einer Studie vom November 2022, dass die Zensur und Diffamierung von Andersdenkenden in den Medien viel mehr als nur eine Verschwörungstheorie ist. Der Reigen von zensierten und diffamierten Experten könnte namhafter kaum sein und schließt unter anderem den Epidemiologen Martin Kulldorff, den Physiker Denis Rancourt und sogar den Vater der mRNA-Technologie, Robert Malone mit ein. Wohlgemerkt bezieht sich die Studie nicht etwa auf China oder Nordkorea, sondern auf die scheinbare so freie westliche Welt. Auch Internetgiganten wie Google, YouTube oder Facebook, haben sich der Einheitsmeinung von WHO-konformen Experten untergeordnet und mutieren mehr und mehr zum Online-Wahrheitsministerium. Alleine YouTube löschte mehr als eine Million Videos, die aus ihrer Sicht «gefährliche Falschinformationen» über Corona verbreitet haben.

Doch nicht nur neue Medien sind im Fokus der Zensoren-Inquistion. In der jetzigen Unzeit von «Cancel Culture» sind auch immer mehr Bücher betroffen. Was nach Meinung der selbsternannten Sittenwächtern für «sensible Leser» anstößig werden könnte, wird verboten, gestrichen oder umgeschrieben. So wie etwa die englischsprachigen Kinderbücher von Roald Dahl, wo Adjektive wie fett, hässlich oder weiblich, ersetzt oder ganz gestrichen wurden. Aber auch das gleichnamige Buch zu einem neuinterpretierten Film-Weltklassiker – «Der junge Häuptling Winnetou» – wurde vom Verleger wegen «kultureller Aneignung» und mangelnder Diversität wieder zurückgezogen.

An diversen britischen Universitäten wollen Professorinnen und Professoren ihren Studenten gar die Bibel nicht mehr zumuten und warnen im heiligen Buch vor «schockierender sexueller Gewalt». Und dies, während in Großbritannien seit 2019 für sechsjährige Grundschüler gleichzeitig das Thema Masturbieren auf dem Lehrplan steht.

Auch vor dem dystopischen Roman «1984» von George Orwell wird gewarnt, weil sein Inhalt für Studenten «anstößig und beunruhigend» wirken könne. Dies in einer Zeit, wo die Realität nicht weniger anstößig und beunruhigend ist. Ironischerweise gelten gerade Universitäten als dystopische Big-Brother-Zonen, in denen eine Art Neusprech praktiziert wird. Britische Buchhändler stellen die in gewissen Schulen und Büchereien verbannten Kinderbücher, zu denen je nach Region auch Bestseller wie der «Zauberer von Oz» oder «Harry Potter» gehören, demonstrativ in ihren Regalen aus. Auch der Roman «Wer die Nachtigall stört», für den die US-amerikanische Schriftstellerin Harper Lee 1961 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, gehört neuerdings zu den verbotenen Büchern, weil es Farbige beleidigen soll.

Auch der Roman «The Bluest Eyes» der Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison ist an amerikanischen Schulen verboten. Im 1970 erschienen Debütroman wird die Situation eines afroamerikanischen Mädchens geschildert, das sich fragt, wieso es nicht so blaue Augen hat, wie die Kinder, die in ihrer Schulfibel abgebildet sind. Auch die Schilderung eines Mädchens, das im Roman «The Hate U Give» von Angie Thomas nach einem rassistisch motivierten Übergriff durch Polizisten ihre eigene oppositionelle Stimme entdeckt, wird als verstörend bezeichnet. Alleine in den USA seien mehr als 1600 Buchtitel aus den Schulbibliotheken entfernt worden, berichtet der «Deutsche Lesering». Hinter dieser Meinungszensur würden vor allem konservative Gruppierungen wie die «Moms for Liberty» stecken. Und wie zuvor aufgezeigt, löscht, verändert und labelt auch die «woke»-Community munter vor sich her. Die Frage, die sich daraus ergibt: Was bleibt von unserem literarischen Erbe zum Schluss noch übrig?

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