Der Wahrheit verpflichtet
30. September 2025 - Regina Castelberg

Das Netz läuft heiß: Die Stimmung nach der e-ID-Abstimmung

Regina Castelberg
Ein digitales Identitätsprojekt, knapp durchgedrückt – mit vielen offenen Wunden. Die e-ID wurde angenommen, doch das Ergebnis zeigt vor allem: Viele sind nicht überzeugt. Kritiker sehen mehr Fragen als Antworten – von verdeckten Einflussnahmen bis hin zu einer zentralen Datenmacht, die niemandem gehören sollte. – eine Netzanalyse nach dem Abstimmungswochenende von Regina Castelberg

Für nicht wenige war es ein erstaunliches Resultat: das knappe Ja an der Urne für die e-ID. Gerade auch, weil sowohl die Haltung eines Großteils der Kommentierenden gegenüber der e-ID in diversen Chats von Online-Portalen wie 20 Minuten, Blick und nau.ch, aber auch im  persönlichen Umfeld, ausdrücklich negativ war. Doch nicht alle waren überrascht und viele Wähler befürchteten schon im Vorfeld der Abstimmung eine Beeinflussung des Stimmresultats auf verschiedenste Art und Weise. So reichte das Nein-Komitee zu e-ID-Abstimmung am 22. September – und einen Tag später auch die Bürgerrechtsvereinigung Mass-Voll – eine Stimmrechtsbeschwerde ein. Dies, da die Swisscom – ein bundesnaher Betrieb – das Ja-Lager mit 30'000 Schweizer Franken unterstützt hat. Weshalb die Swisscom die e-ID so fördert, zeigt ein Artikel von 2017, der festhielt, dass das Unternehmen die e-ID schon 2019 einführen wollte, sehr gut. Ein Zitat aus dem Artikel:

«Und was ist unsere Aufgabe in diesem neuen Unternehmen? Wir bringen beispielsweise unsere Technologien zur 2-Faktor-Authentifizierung mit ein. Vor allem die von Swisscom entwickelte Mobile ID wird eine der Lösungen sein, mit der sich künftig ein User identifizieren kann.»

Andy Yen, Gründer und CEO des Technologie-Unternehmens Proton und früher Teilchenphysiker am CERN in Genf, lässt in einem Social-Media-Post auf «X» keine Zweifel offen, dass er die Abstimmung die soeben in der Schweiz über die Bühne ging, nicht für sauber hält:

«Die e-ID wurde in der Schweiz mit rund 20'000 Stimmen mehr angenommen. Hätten wir unsere Nutzer in der Schweiz angeschrieben, hätte das NEIN gewinnen können, aber wir wollten uns nicht in den demokratischen Prozess einmischen. Staatliche Unternehmen haben sich jedoch eingemischt, indem sie die JA-Kampagne finanziert haben. Der Ruf nach einer neuen Abstimmung ist gerechtfertigt.»

 

Ausländische Einmischung: Warum interessiert Palantir die Schweizer Abstimmungsresultate?

Auch weitere Sponsoren des Ja-Komitees werfen Fragen auf. Dazu spannend der folgende Post von Michael Shellenberger auf der Plattform «X», einem amerikanischen Autor, Journalisten und Professor an der Universität von Austin, der vor allem auf Palantir hinweist (ja, es lohnt sich, nach dieser Firma zu recherchieren):

 

Post von Michael Shellenberger zu PalantirPost von Michael Shellenberger

Palantir, das von Peter Thiel gegründete Unternehmen, ist auf die Integration und Analyse großer Datensätze spezialisiert, um Organisationen dabei zu helfen, Muster zu erkennen und praxisnahe Entscheidungen zu treffen, die von der Terrorismusbekämpfung bis zur Optimierung von Lieferketten reichen. Man darf (und muss!) sich zu Recht fragen, weshalb ein solches ausländisches Unternehmen an einem Abstimmungsresultat in der Schweiz interessiert ist – angeblich war ja eben die Beteiligung externer Firmen der Hauptgrund, weshalb die e-ID im Jahre 2021 vom Volk eine Abfuhr bekam.

Journalistin Joyce Lopes de Azevedo schreibt treffend folgende Zeilen zu diesem Thema in einem Post auf «X»:

«(…) Der Gegner war nicht einfach der Staat oder ein missratenes Gesetz – das hätte man mit klaren Argumenten bekämpfen können. Hat man auch.

Die eigentlichen Gegner waren bestens finanzierte Player:
NGOs wie die Digitale Gesellschaft, die plötzlich von kritisch zu wohlwollend wechselte – nach einer Förderung von CHF 750’000.- der Stiftung Mercator (2023–2025).
2021 stand DigiGes noch im Referendumskomitee gegen die privat geplante e-ID. 2025 bekannte sie sich klar für die neue e-ID 2.0. (…)
Die demokratischen Hebel wurden ausgehebelt. Es war nicht David gegen Goliath. Es war ein Sandkorn gegen die Wüste.

Und trotzdem: Das Resultat war 50:50 – obwohl 90 % der Parlamentarier zugestimmt haben.
So weit weg von den Bürgern, so ahnungslos über die Skepsis im Land.»

Wähler-Manipulation durch Umfragen & Co.?

Ein Dorn im Auge vieler e-ID-Kritiker sind auch die Umfragewerte, die das zwangsfinanzierte Medienunternehmen SRF immer wieder veröffentlichte. Obwohl bei der Abstimmung vom 7. März 2021 die e-ID mit 64.4 % Nein-Stimmen krachend scheiterte, wurden teils ein horrend hoher und später zumindest sehr bequemer Ja-Stimmen-Vorsprung prognostiziert. Online befürchteten schon viele vor der Abstimmung, dass dies eine Art psychologische «Kriegsführung» sein könnte, um Kritiker zu entmutigen und vom Abstimmen abzuhalten.

Ebenso in die oben genannte Kategorie der Beeinflussung geht die emotionale Beeinflussung. Besonders Bundesrat Jans warb unverhohlen für die e-ID und dies unter anderem mit dem folgenden Satz:

«Wer gegen die e-ID stimmt, nimmt anderen Menschen die Wahlmöglichkeit»

Mit 50.7 % Ja-Stimmen fiel das Abstimmungsresultat nun aber sehr knapp aus. Auf die ganze Schweiz waren das gerade einmal 20'000 Stimmen. Trotz allen, teils sehr fraglichen, Überzeugungs- oder vielleicht besser gesagt Beeinflussungsversuchen im Vorfeld, bezeichnet auch Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS in Bern das Ergebnis noch vor dem definitiven Schlussresultat als ein «Misstrauensvotum» gegenüber der Regierung.

Keine gute Stimmung im Netz

Die Stimmung im Netz ist jetzt auch nach der Abstimmung noch aufgeheizt. Unter Posts von Politikern wie Jürg Grossen (Nationalrat GLP), Marc Schinzel (FDP) und Christian Wasserfallen (Nationalrat FDP) schreiben die Kommentatoren deutlich, dass sie sich die Aussagen zur (angeblichen) Freiwilligkeit gut merken werden und sie auf darauf behaften werden.

Politiker Social-Media-Posts zur e-Id

Und offenbar kann man nicht früh genug damit beginnen, den Strippenziehern auf die Finger zu schauen. Biologe Thomas Grusz ist in diesem Zusammenhang die lakonische Berichterstattung der NZZ aufgefallen:

Was will die Mehrheit der Kantone? Irrelevant!

Ein großes Ärgernis ist bei vielen auch die Ausschaltung des Ständemehrs. Nachfolgend der Post eines X-Users namens Walter Winteler:

Post von Walter Winteler

 

Insgesamt stimmten also 18 Kantone gegen die e-ID. Eine laufende Abstimmungsbeschwerde, ein derart knappes Ergebnis, fragliche Sponsoren des Ja-Lagers und ein fehlendes Ständemehr stellt das Abstimmungsresultat zur e-ID doch in ein sehr schiefes Licht. Sollte der Abstimmungsbeschwerde stattgegeben werden, steht übrigens gemäß Nein-Komitee eine erneute Abstimmung zur e-ID an. Es scheint also noch nicht aller Tage Abend zu sein.

 

Artikel zu Abstimmungsbeschwerde

 

Zum Schluss dieses Artikels möchten wir mit Ihnen einen Post des Schweizerischen Vereins WIR teilen, der gut aufzeigt, was jeder, der bezüglich e-ID seine Bedenken hat, nun tun kann:

 

Post des Verein WIR zur e-ID

Denken Sie daran: In China, Großbritannien und Belgien können Sie nicht mehr viel machen ohne die digitale ID. Und die EU bereitet bereits ein Mindestalter für Social Media vor – was soviel bedeutet, dass ohne e-ID auch da wohl nichts mehr laufen wird. Jeder auch noch so kleine Einsatz der Bürger gegen diese elektronische Zwangsjacke könnte helfen, uns von der drohenden Misere zu schützen.

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