Stabiliserung Russlands
Nach dem Fall der Sowjetunion rissen Oligarchen die Macht an sich. Während sie sich Luxusjachten gönnten, darbte die Bevölkerung im Elend. Das Land war auf Nahrungsmittellieferungen der USA angewiesen. Heute ist Russland der größte Getreideexporteur der Welt. Putin gelang es, den Oligarchen die Macht zu entreißen. Für den Westen war das nicht ideal, aber besser als eine unstabile, korrupte Atommacht.
Russische Seele
Der Muschik (russisch für Landbewohner) strebt nicht nach individueller Freiheit. Es gibt für ihn kein heiligeres Band als die Gemeinschaft. Kameradschaft bedeutet ihm alles. Kaum verläßt er sein Dorf, schließt er sich sofort einer neuen Gruppe (Artel) an. Geführt wird ein Artel von einem Ataman, einem Väterchen. Dieser hat für Ausgleich in der Gruppe zu sorgen, Führerqualitäten werden von ihm nicht erwartet.
Dem Muschik ist die Unversehrtheit von Mütterchen Russland wichtiger als ein bestimmtes Regierungssystem. Von der Führung erwartet er, dass sie das Land zusammenhält. Ob diese Regierung demokratisch ist oder nicht, ist für ihn nebensächlich.
Die russische Mittel- und Oberschicht teilt diese Einstellung, fühlt sich aber gleichzeitig tief verwurzelt in der westlichen Kultur. Strategische Allianzen mit China oder Iran empfinden sie bestenfalls als ein Zweckbündnis.
Väterchen Putin
Putin verkörpert diesen Typ. Er kümmert sich um sein Volk und wirkt ausgleichend. Unter Putin haben Gewaltdelikte, Selbstmorde, Alkoholismus und die Kindersterblichkeit massiv abgenommen. Russland steht in vielen Aspekten vergleichbar oder besser da, als die meisten Länder des Westens. Das ist erstaunlich, weil die russische Kultur per se gewalttätiger ist als die westeuropäische. Den Russen ist es nie so gut gegangen wie heute, trotz des Krieges. Das Volk steht hinter Putin, vor allem außerhalb der Zentren Moskaus und St. Petersburgs.
Autarkie und Sanktionen
In den Weiten Russlands ist der Bürger auf Autarkie angewiesen. Die Russen sind Meister der Improvisation. Das riesige Land ist reich an Ressourcen, sofern die territoriale Integrität gewahrt bleibt. Es fehlt dem Russen an nichts. Die Sanktionen blieben daher ohne wesentliche Folgen. Sie haben dazu geführt, dass die Industrieproduktion gesteigert wurde. Die Arbeitslosigkeit nahm ab und die Autarkie weiter zu.
Kriegsvorbereitung
Mit dem Minsker-Abkommen (2014) war dem Westen und Russland klar, dass der Krieg eine Frage der Zeit war. Sowohl Hollande, Merkel und Putin haben das öffentlich bestätigt. Während die NATO die Ukraine aufzurüsten begann, bereitete sich Moskau auf den Krieg vor.
Kurz nach dem Abkommen koppelte sich Russland mit dem Transaktionssystem NSPK (2014) vom westlichen Clearingsystem ab. Für die Banken wurde das Interbanking-Clearing System SPFS eingerichtet. Das Kartenzahlungssystem «MIR» folgte kurz darauf.
Russland war bereit, Putin wartete nur noch auf einen günstigen Zeitpunkt. Dieser kam nach Corona. Europa war (und ist) in einer finanziellen Krise und kaum verteidigungsfähig.
Russische Achillesferse
Auch Russland hat seine Schwächen. Die Bevölkerung schrumpft. Das zwingt die Armee, sparsam mit Soldaten umzugehen. Irgendwann ist auch diese Ressource aufgebraucht. Zwar sind keine Zahlen über die Verluste bekannt, allgemein gilt jedoch, dass Russland etwa bis 2027 durchhalten kann. Danach muss es eine (Teil-)Mobilmachung einleiten und Arbeitskräfte aus der Industrie abziehen. Der Wohlstand in Russland wäre vorbei. Das weiß auch Putin.
Hier liegt die Chance für den Frieden. Nur hier.
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