Der Wahrheit verpflichtet
25. März 2023 - Fabian Ramseyer

Rentenreform: Frankreich im Ausnahmezustand

Fabian Ramseyer
Die Unruhen erstrecken sich über ganz Frankreich, konzentrieren sich aber auf die großen Städte. Das Geschehen ist sehr unübersichtlich und die mehrheitlich friedlichen, aber standhaften Proteste, werden durch kleinere, extrem gewaltbereite Gruppen überschattet.

Was ist geschehen?

Seit dem 16. März, der Bekanntgabe der Pensionsreform durch die Regierung von Macron, überschlagen sich in Frankreich die Ereignisse. Seither wurde von mehreren Gewerkschaften zum nationalen Streik aufgerufen. So gehen seit 9 Tagen Millionen von Franzosen auf die Straße. Die Aktionen der Demonstranten reichen von friedlichen Protesten über Streik und Reden, bis hin zu groben Scharmützeln mit der Polizei und Vandalismus. Alleine am 23. März wurden in Paris über 900 Feuer gemeldet. Mit improvisierten Straßensperren wurde der Verkehr an den Hauptachsen unterbrochen. Solche Sperren wurden zudem auch auf Autobahnen, wichtigen Zugstrecken und auch Brücken errichtet. Die Häfen von Le Havre und Marseille wurden zwischenzeitlich durch streikende Hafenarbeiter blockiert. Ebenso wurde der Flugverkehr in Paris um bis zu 30 % und auf anderen Flughäfen bis zu 20 % reduziert. Die Zugverbindungen sind unregelmäßig und auch die Métro ist immer wieder von starken Ausfällen betroffen. (Verkehrsbehinderungen)

Die Unruhen erstrecken sich über ganz Frankreich, konzentrieren sich aber auf die großen Städte. Das Geschehen ist sehr unübersichtlich und die mehrheitlich friedlichen Proteste standhafter Bürger, werden durch Aktionen kleinerer, extrem gewaltbereiter Gruppen überschattet. Ebenso sind die sozialen Medien gefüllt mit Aufnahmen von extensiver Polizeigewalt, sowohl gegen gewaltbereite als auch gegen friedliche Demonstranten. Schwarz gekleidete Aktivisten werden von beiden Seiten des politischen Spektrums für die meisten Gewaltausschreitungen verantwortlich gemacht. Über die Zugehörigkeit dieser Aktivisten gehen die Meinungen jedoch auseinander.
Während Konservativere darin den «schwarzen Block» der Antifa vermuten, spekulieren Linke eher auf verkleidete Faschisten in Verbindung mit V-Männern der Polizei. Interessant dazu ist auch ein Interview mit einer Polizistin, die behauptet, dass sie den Auftrag hätten, die Demonstranten des «schwarzen Blocks» nicht vollständig zu stoppen. Die Vermutung liegt nahe, dass der gewaltbereite «schwarze Block» als Vorwand für das harte Vorgehen gegen alle Demonstranten herangezogen wird.

Die Polizei setze während ihrer Einsätze Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein. Am 23. März kam es gemäß Innenminister Gérald Darmanin allein in Paris zu 80 Festnahmen und über einhundert verletzten Polizisten.

In sozialen Medien wurde bereits davon berichtet, dass Teile der Polizei und der Feuerwehrkräfte zu den Streikenden übergelaufen seien. Währenddessen gäbe es anscheinend von der Regierung Bestrebungen, die Polizei von der Erhöhung des Rentenalters zu entbinden. Auch dies wird von der Masse nicht positiv aufgenommen.

Was war der Auslöser für diese Unruhen?

In den Medien werden die Ereignisse hauptsächlich der umstrittenen Rentenreform angelastet. Diese soll unter anderem das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre anheben. Diese Reform war ursprünglich bereits für das Jahr 2020 geplant, wurde aber damals sowohl wegen der angeblichen Pandemie als auch wegen des des starken, landesweiten Widerstandes verschoben. Schon damals hatte die Regierung den Artikel 49.3 der französischen Verfassung angewandt, um die Rentenreform ohne Abstimmung im Parlament durchzuwinken. Dieser Artikel ist seit 1958 in der französischen Verfassung und bietet der Regierung, unter Risiko von Absetzung und Neuwahlen, die Möglichkeit einmal pro Sitzungsperiode den Haushalt plus eine weitere Gesetzesvorlage durchzudrücken. Übersteht die Regierung das Missrauensvotum, ist das besagte Gesetz rechtskräftig.

In der Vergangenheit wurde der Artikel 49.3 mehrmals angewandt. Dabei kam zwar nie ein Misstrauensvotum zu Stande, aber so gut wie jedes Mal folgten soziale Unruhen im Land. Dieses Mal kommen aber im Hintergrund weitere Themen hinzu, welche die Unzufriedenheit der Franzosen weiter verstärken. So kam es immer wieder zu Großdemonstration zu den Themen Pandemie-Maßnahmen und dem Krieg in der Ukraine. Des Weiteren sind die stetig zunehmenden Integrationsprobleme und die hohe Arbeitslosigkeit der Jugend ein enormer Brennpunkt.
Weitere Streiks und Demonstrationen sind bereits angesagt und es scheint kein nahes Ende in Sicht, denn weder Präsident Macron, noch die streikenden Gewerkschaften und Menschen sind bereit, von ihrer Position abzurücken.

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