Der Wahrheit verpflichtet
16. April 2023 - Torsten Engelbrecht

Viviane Fischer: «Unser konkurrenzorientiertes System ist ein ganz falscher Ansatz»

Torsten Engelbrecht
Viviane Fischer ist als Mitgründerin des Corona-Ausschusses zu einem der bekanntesten Gesichter unter den Kritikern der Corona-Politik avanciert. Jetzt ist sie unter die Buchautorinnen gegangen. Ihr Werk heißt «Homo Amicus».

Geschrieben hat sie es zusammen mit Reiner Fuellmich. Doch kurz vor Veröffentlichung kam es zum Zwist zwischen den beiden, woraufhin sie sich veranlasst sah, einen Buchteil, bei dem nur sie Autorin ist, anzufügen. Er trägt den Titel «Homo Amicus Reloaded». Im Interview mit HOCH2 TV erläutert die Juristin, was sie mit «reloaded» meint – und warum wir zwar mehr Systemkritik brauchen, aber auch den Willen jedes Einzelnen, mal «nein» zu sagen, wenn Unrecht droht oder geschieht. «Es geht nicht nur darum, dass ich am Äußeren etwas verändere, sondern auch darum, dass ich meine Einstellung zu bestimmten Dingen verändere», so Fischer.

HOCH2: Liebe Viviane, herzlich willkommen! Der Titel des Buchteils, bei dem du und Reiner Fuellmich als Autoren genannt sind, lautet «Homo Amicus», was übersetzt «freundlicher Mensch» heißt. Und ganz am Ende, auf Seite 252, dieses Buchteils lesen wir: «Der Mensch ist so, wie er ist, prima … Der Mensch ist dem Menschen ein Freund.» Nehmen wir aber doch nur das Agieren der Politiker insbesondere auch während der «Corona-Zeit», die vielen Kriege auf der Welt – oder auch «nur» den Zwist zwischen dir und Reiner Fuellmich. Zeigt all dies nicht, dass der Mensch eben nicht «prima ist, so wie er ist»?

Viviane Fischer: Das ist jetzt natürlich eine vielschichtige und auch philosophische Frage. Die Formulierung nimmt eigentlich Bezug auf den Spruch «homo homini lupus est», was bedeutet: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Damit wird die Grundannahme transportiert, dass die Menschen aufeinander losgehen, stets ihren Vorteil suchen und sich die Köpfe einschlagen. Und dann gibt es ja auch noch da Werk «Homo Deus» von Yuval Harari, der im Prinzip an der Verbesserung des Menschen arbeiten will hin zu einem gottgleichen oder gewissermaßen transhumanistischen Wesen.

Wir aber haben damals gesagt, dass das so eigentlich nicht stimmt – und dass es eine Seite des Menschen gibt, die auf jeden Fall dazu verleitet, den anderen Menschen ein Freund zu sein und eben auch das Wohl der anderen im Blick zu haben. Und ich denke, das ist auf jeden Fall die Zielrichtung. Ich glaube, dass auch ganz viele Menschen das schon verstanden haben, aber es vielen noch schwer fällt, die Fesseln des alten Systems abzuschütteln, also davon Abstand zu nehmen, sich gegenseitig auszutricksen und sich irgendwie einen Vorteil zu verschaffen.

Deshalb habe ich damals auch diesen zweiten Buchteil schreiben müssen, der mit dem Zusatz «Reloaded» versehen ist. Ich wollte damit noch mal genauer hingucken, was bei dem Homo Amicus, also bei demjenigen, der dem anderen Menschen ein Freund ist, vielleicht doch los ist.

Du und Reiner schreiben in eurem gemeinsamen Teil des Buches, «Seelenbefreiung ist das, was wir betreiben werden müssen und dann werden wir sehen: nix Wolf hier.» Wie genau soll sich eine solche «Seelenbefreiung»“ vollziehen?

Es geht darum, dass man sich von diesen ganzen aus meiner Sicht auch durch das System entstandenen Drucksituationen befreit. Wir haben ja ein stark konkurrenzorientiertes System, in dem die Menschen immer irgendwie müssen, dass sie vorankommen und sich gegenüber anderen profilieren. In den großen Konzernen wird mit den Ellbogen gegeneinander geboxt. Und ich glaube, das ist einfach ein ganz falscher Ansatz.

Nehmen wir nur die Landwirtschaft. Da gibt es tolle Ansätze, die aufzeigen, dass die Menschen sich nicht ums Essen balgen müssen, sondern dass es da eine Fülle geben könnte. Und ich denke, das ist in vielen Bereichen so. Man braucht letztlich auch dieses ganze Konkurrenzhafte nicht, also das Gehabe a la «ich bin toller als du», «mein Auto ist schneller als deins» oder «ich will dich täuschen über meine Absichten». Gesetze der EU, die einen viel zu oft immer mehr einengen, die braucht man dann gar nicht mehr.

Momentan kommt immer mehr heraus und es wird immer sichtbarer, was sich wirklich abgespielt hat. Das kann aus meiner Sicht ein Moment der Katharsis [= Reinigung] sein, bei dem wir eben erkennen, dass dass der falsche Weg war. Dadurch können wir uns befreien, vieles Schlechte abschütteln und dann zu den Menschen werden, die wir eigentlich sein können.

Brauchen wir also mehr Systemkritik und weniger Last auf dem Einzelnen, also weniger die Botschaft, der Einzelne ist seines Glückes Schmied?

Das sicher auch. Aber ich glaube, dass wir trotzdem sehen müssen, dass jeder Einzelne von uns auch eine große Verantwortung trägt und dass die Aktivitäten eines einzelnen Menschen auch eine unheimliche Reichweite haben. Wir sollten nicht unterschätzen, was jeder Einzelne von uns bewirken kann. Auch aus ganz zufälligen Begegnungen kann etwas Großartiges entstehen. Wolfgang Wodarg zum Beispiel saß einst zufälligerweise im Zug neben Robert Cibis von Oval Media. Dann sind die beiden ins Gespräch gekommen und haben ein Video gemacht, das unheimlich viele Menschen erreicht hat und die Botschaft in sich trug: Bleiben Sie besonnen, die Viren sind nicht das Problem.

Aber ist es nicht so, dass ein «Homo Amicus» oft deshalb nicht in der Art möglich ist, wie wir es uns alle eigentlich wünschen, weil viele Menschen es gar nicht leben können, freundlich zu sein, da sie Sachzwängen unterlegen sind, aus denen sie einfach nicht rauskommen? Braucht es also nicht doch vor allem Systemkritik, um den «Homo Amicus» viel mehr möglich zu machen?

Ja, wir brauchen bestimmt mehr Systemkritik. Aber ich glaube, dass es auch für jeden Einzelnen innerhalb des Systems die Möglichkeit gibt zu sagen: Ich mach bestimmte Sachen nicht mit. Und wenn das wiederum eine größere Menge von Menschen vollzieht, entsteht daraus ja auch eine Transformation des Systems.

Deshalb sprach ich auch von Seelenbefreiung. Sprich, es geht nicht nur darum, dass ich am Äußeren etwas verändere, sondern auch darum, dass ich meine Einstellung zu bestimmten Dingen verändere. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass ein Chefarzt in einer Klinik nicht alles mitmacht und nicht nur im Blick hat, die Karriereleiter emporzusteigen, weil er für sich erkannt hat, dass bestimmte Handlungen von ihm bedeuten könnten, dass er Menschen Schaden zufügt. Hier geht es also um die Frage: Möchte ich lieber irgendwie mit meiner Seele im Einklang leben oder nicht, um es mal vereinfacht zu formulieren.

Aber gerade da können die Sachzwänge ins Spiel kommen. Denn selbst wenn der von dir beispielhaft erwähnte Chefarzt es so umsetzt, wie du es beschrieben hast, dann riskiert er unter Umständen seinen Job. Und wenn er seinen Job los ist, kann er womöglich seine vier Kinder, die zuhause auf ihn warten, nicht mehr so richtig ernähren. Besonders auch wegen dieser Dynamik, die überall zu beobachten ist, halten ja so viele Leute ihre Füße still.

Das stimmt. Aber schau mal, es entstehen jetzt auch neue Gesundheitszentren, in denen Menschen mit anderen Methoden behandelt werden. Und der erwähnte Chefarzt könnte sich dann ja auch umschauen nach neuen Jobmöglichkeiten, die unter Umständen sogar noch einen besseren Verdienst offerieren. In Frankfurt etwa hatten wir im Zusammenhang mit unserem Dreh zum Film «Geimpft: Jetzt reden wir» Kontakt zu einer Ärztegruppe. Und da gab es Mediziner, die zuvor eine ganz normale Praxis hatten, sich dann aber ausgeklinkt haben und infolge dessen geradezu überrannt wurden von Patienten. Das heißt: Es gibt immer auch Einkommens- oder Betätigungsmöglichkeiten, die man vielleicht noch gar nicht im Blick hat, wenn man anfängt, über eine Entscheidung nachzudenken. Schließt sich eine Tür, öffnet sich oftmals eine andere.

Das komplette Interview mit Viviane Fischer, geführt von HOCH2-Redaktor Torsten Engelbrecht ist weiter oben auf dieser Seite verlinkt.

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