
Schröter bilanziert gegenüber der NZZ nüchtern: «Es gibt keine kritische Islamforschung mehr an den Universitäten in Deutschland.» Ihre Erfahrung: Wer Konfliktthemen wie Islamismus, Frauenrechte oder innermuslimische Differenzen kritisch beleuchtet, gilt rasch als 'unkollegial', 'rechts' oder gar als 'Rassist'. Der Forschungsbetrieb droht sich – so beschreibt Schröter– zum affirmativen Abnickverein von Mehrheitsmeinungen zu wandeln.
Der Zeitpunkt könnte kaum brisanter sein: Kürzlich wurde der Islamist Issa al-Hasan nach dem Solingen-Attentat von 2024 (drei Tote, acht Verletzte bei einem Stadtfest, «Allahu akbar»-Rufe) zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch der 26-jährige Afghane Sulaiman A., der beim Messerangriff in Mannheim 2024 Polizist Rouven Laur tötete und fünf Teilnehmer einer Kundgebung um Islamkritiker Michael Stürzenberger verletzte, wurde vor kurzem zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt.
Die Bedrohung durch radikalen Islamismus ist akut wie nie. Laut dem deutschen Verfassungsschutz und Europol zählt Europa seit 2015 jährlich dutzende islamistische Anschläge, hunderte Gefährder und eine hohe Dunkelziffer islamistisch beeinflusster Gewalt. Dennoch attackieren und verhindern universitäre Mehrheiten seit Jahren jeden Versuch, den politischen Islam auch wissenschaftlich radikal zu analysieren – aus Angst vor Vorwürfen des «antimuslimischen Rassismus» oder politisch-aktivistischem Protest.
Das 2014 gegründete Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) war die letzte kritische Einrichtung in Deutschland, die dschihadistische Strömungen, Islamismus im Alltag und frauenfeindliche Strukturen erforschte. Von Behörden, Medien und Politik wurde Schröter als Ansprechpartnerin geschätzt, von Aktivisten – anonymen Studenten wie Kollegen – immer wieder heftig attackiert.
2019 forderten Demonstranten ihre Entlassung, das FFGI wurde als rassistisch gebrandmarkt. Zuletzt führten universitätsinterne Machtspiele und politische Konflikte zur endgültigen Auflösung. Grund waren letztlich nicht etwa mangelndes Interesse, sondern Widerstände im Wissenschaftsbetrieb: «Wer nicht bereit ist, sich ideologisch anzupassen, kommt nicht weiter», erklärt Schröter bitter in einem Interview mit dem Magazin für politische Kultur «Cicero».
Die beobachtete Entwicklung ist keine deutsche Ausnahme. Ähnliches berichten Experten aus Skandinavien, Grossbritannien und Frankreich. Als Schröter versuchte, eine islamwissenschaftliche Nachfolge zu etablieren, wurde eine Spezialistin übergangen, stattdessen erhielt eine Mexiko-Expertin den Lehrstuhl – symptomatisch für das Ende der kritischen Islamismusforschung.
Zahlreiche Tagungen wurden von Protesten, offenen Briefen, Diffamierungs- und Boykottkampagnen begleitet. Die Hochschule meint, Wissenschaftsfreiheit zu wahren, verlangt aber zugleich von Forschern «verantwortungsvollen Umgang» mit dieser Freiheit – ein Türöffner für Zensur.
Die einseitige, affirmativ ausgerichtete Islamforschung, so Schröter und zahlreiche Politikvertreter, ist nicht nur wissenschaftlich problematisch, sondern auch gesellschaftlich gefährlich. Ohne kritische Analyse und Debatte gerät der Rechtsstaat beim Kampf gegen Radikalisierung und Parallelmilieus ins Hintertreffen.
Das Ende des FFGI und Schröters Rückzug stehen beispielhaft für das Klima an deutschen Universitäten, wo nicht nur Debatten unmöglich gemacht, sondern ganze Forschungszweige abgeschafft werden, wenn sie unbequem erscheinen. Die Folge: Blindheit für die Herausforderungen von Islamismus, Radikalisierung und Integrationsdefiziten – und ein Verlust wissenschaftlicher Redlichkeit zugunsten opportunistischer Korrektheit.
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Lieber Leser – Wissenschaft lebt davon, Fragen zu stellen – auch unbequeme. Wenn wir zulassen, dass Forschung nur noch das bestätigt, was populär ist, verlieren wir mehr als Lehrstühle: Wir verlieren das Vertrauen in die Wahrheit. Wie finden die Universitäten Ihrer Meinung nach wieder zurück zum freien, kritischen Denken?
(Dieser Artikel erschien erstmals auf der Website von Zukunft CH – HOCH2 dankt für die Erlaubnis der Veröffentlichung auf unserer Website. HIER geht es zu Erstveröffentlichung)