Der Wahrheit verpflichtet
26. Februar 2024 - Mantelerlass: Der Weg zur Abschaffung der Volksabstimmung?

Mantelerlass: Der Weg zur Abschaffung der Volksabstimmung?

Mantelerlass: Der Weg zur Abschaffung der Volksabstimmung?
Der Jungunternehmer Elias Vogt ist überzeugt: «Der Mantelerlass ist eine subventionierte Zerstörung der Natur». Lesen Sie im Interview mit Dr. Philipp Gut, warum er zu diesem Schluss kommt und sich daher auch politisch gegen dieses Vorhaben wehrt.

Das Interview wurde als Spende für HOCH2 von D. G. verschriftlicht, gekürzt und gestrafft. Das gesamte Interview in Videoform können Sie hier anschauen.

Philipp Gut

Heute begrüße ich bei mir Elias Vogt, Präsident des Vereins Freie Landschaft Schweiz. Sie haben kürzlich mit anderen Organisationen zusammen erfolgreich ein Referendum geschafft. In der Schweiz hat man die Möglichkeit, Gesetze des Parlaments mit einem Referendum zu bekämpfen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Es braucht dazu mindestens 50’000 Unterschriften. Es geht um einen sogenannten Mantelerlass, der die erneuerbaren Energien vorantreiben will. Können Sie uns sagen was dieses Gesetz beinhaltet?

Elias Vogt

Der Mantelerlass ist eine Revision verschiedener Gesetze in einem Mantel sozusagen. Erstens soll das Energiegesetz, zweitens das Stromversorgungsgesetz und drittens das Raumplanungsgesetz revidiert werden. Eine Gesamtrevision dieser drei Gesetze in einem Mantel. Das Hauptziel ist der massive Ausbau der Wind- und der Solarenergie in der Schweiz, aber auch der Bau von 16 großen Wasserkraftwerken. Und alle Aspekte rund um diese erneuerbaren Energien sind in diesem gesamten Paket geregelt. Diese Gesetzesrevision  beinhaltet aber auch noch viele offene Punkte. Der Bundesrat darf zum Beispiel Bewilligungsverfahren abkürzen. Weil in der Schweiz aber das Prinzip der Gemeindeautonomie gilt, darf die Bevölkerung direkt über die Raumplanung in ihrer Ortschaft, in der Gemeinde mitentscheiden. Wenn nun der Bundesrat das Verfahren verkürzt, kann er jetzt bewirken, dass die Gemeinden nichts mehr zu sagen haben.

Philipp Gut

Sie haben das Referendum nicht alleine ergriffen. Wer ist noch Partner und welche Organisationen stehen hinter Ihnen?

Elias Vogt

Also zuerst hat eine Privatperson das Referendum alleine ergriffen. Pierre-Alain Bruchez, ein ehemaliger Finanzexperte und Angestellter des Bundes, der jetzt pensioniert ist, hat sich gefragt, was in diesem Mantelerlass enthalten ist. Er hat gesehen, dass man mit diesem Gesetz riesige Solarparks in den Alpen bauen kann. Später kam die bekannte Fondation Franz Weber hinzu und auch wir von der Freien Landschaft Schweiz wollten uns für die Gegenmassnahmen engagieren. Über Weihnachten und Neujahr sind dann auch dank einer Vielzahl kleiner und großer Umwelt- und Gesundheitsschutz Organisationen ca. 63’000 Unterschriften zusammengekommen.

Philipp Gut

Welches sind die Ziele Ihrer Organisation der Freien Landschaft Schweiz?

Elias Vogt

Unsere Organisation ist eigentlich der Dachverband der Windkraft-Kritiker in der Schweiz. Wir haben ungefähr 50 Mitgliedsvereine und acht kantonale Sektionen. Wir sind in der ganzen Schweiz engagiert und treten vor allem für den Naturschutz, aber auch für die direkte Demokratie ein. Denn mit dem neuen Mantelerlass-Gesetz wird der Bundesrat bestimmen können, wann, wo und wie viele Installationen für die Erzeugung erneuerbarer Energie gebaut werden dürfen. Es drohen jedoch massive Eingriffe in die Natur.

Außerdem ist noch nicht gewiss, wie viel der Bund für diese Neu-Anlagen an Subventionen vergibt. Im Jahre 2017 wurde schon ein neues Energiegesetz angenommen. In diesem Gesetz steht, dass 2022 keine Subventionen mehr für Solar- und Windkraftwerke vergeben werden. Dieses Gesetz würde also mit dem Mantelerlass gebrochen. Wir sehen eine subventionierte Naturzerstörung auf uns zukommen. Auch ist eine regelmässige Energie nicht gewährleistet, denn bei Regen funktioniert der Solarstrom nicht und bei unseren schlechten Windverhältnissen laufen die Windräder auch nicht permanent. Überhaupt ist im Mantelerlass die Netzversorgung mit ausreichender Speichermöglichkeiten der Energie nicht geklärt.

Philipp Gut

Offenbar werden im Mantelerlass auch die Einsprachemöglichkeiten, das demokratische Mitspracherecht der Bevölkerung eingeschränkt. Wie konkret äußert sich diese Einschränkung?

Elias Vogt

Bis jetzt kann die Bevölkerung mit Einsprachen ein Energieprojekt aufgrund des Naturschutzes oder einer steigenden Lärmbelästigung stoppen. Sowohl Privatpersonen, als auch Naturschutzorganisationen können sich wehren. Leider ermöglicht der Mantelerlass dem Bundesrat, dass dieser die Volksabstimmung letztendlich abschafft. Die Interessen der Stromversorgung stehen über dem Naturschutz und den Menschen. Dies führt zu einer drastischen Reduktion der direkten Demokratie.

Philipp Gut

Ein bekannter Jurist, Professor Dr. Alain Griffel, hat den Mantelerlass auch kritisiert. Er sagt, dass dieser Erlass gegen die schweizerische Bundesverfassung verstosse. Könnten Sie bitte die konkrete Kritik von diesem Professor etwas ausführen?

Elias Vogt

Wir haben in der Schweiz einen Artikel in der Verfassung zur Energiepolitik, da stehen fünf Prinzipien drin. Die Stromversorgung oder die Energieproduktion muss ausreichend sicher, wirtschaftlich und umweltverträglich sein. Die Umweltverträglichkeit und die Stromversorgungssicherheit müssen aber gleichwertig behandelt werden. Das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein.

Philipp Gut

Welche Gründe haben überhaupt dazu geführt, dass unsere Volksvertreter ein dermaßen brachiales Gesetz auf den Weg gebracht haben?

Elias Vogt

Es hat im Herbst 2022 angefangen. Vorher hat sich das Parlament jahrelang nie mit der Energiepolitik beschäftigt. Als die Corona-Pandemie vorbei war, hat die Elektrizitätskommission einen großen Medienbericht verfasst, dass viele Atomkraftwerke in Frankreich in Revision sind und es sein könnte, dass wir in der Schweiz plötzlich einen Strommangel erleiden müssten. Das Parlament hat dann innert drei Wochen völlig überstürzt einen solaren Express beschlossen und gesagt, dass jetzt große Solarkraftwerke in den Alpen gebaut werden müssen. Das war völlig überhastet und verfassungswidrig. Das Parlament hätte die Bevölkerung zuerst befragen müssen. Ich bin mit einer Beschwerde bis vor das Bundesgericht gegangen. Das Bundesgericht wies die Beschwerde jedoch ab mit der Begründung, dass das Parlament in der Schweiz allmächtig ist. In diesem Geiste der Allmächtigkeit wurde dann dieses Gesetz beschlossen.

Philipp Gut

Welche Befürchtungen haben Sie Herr Vogt, was die Natur und die Landschaft betrifft, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt?

Elias Vogt

Es sind in erster Linie riesige Solarparks in den Alpen geplant. Viele Alpweiden würden mit Stahlkonstruktion und Solaranlagen überdeckt werden. Das andere ist, dass Windkraftanlagen auch in Wäldern explizit erlaubt sein sollen. Man muss sich vor Augen halten: Im Kanton Zürich, im bevölkerungsreichsten Kanton in der Schweiz, wohnen weit über eine Million Menschen. Hier sind jetzt 120 Windräder geplant und 110 sollen in den Wald gebaut werden. Das sind eigentlich die schwersten Umwelteingriffe. Hinzu kommen noch Wasserkraftwerke, die man bauen möchte. Es ist absurd. Auf der einen Seite will man das Klima retten, auf der anderen Seite wird dieser Hype um diese erneuerbare Energie entfesselt.

Was unser Hauptargument gegen dieses Gesetz ist, ist die Zerstörung der Natur. Ein Windrad braucht ein Fussballfeld grosses Gebiet, Wälder werden gerodet, 10 m breite Strassen gebaut. Ist das grüne Energie? Die Alpen und Voralpen als Erholungsgebiet kann man vergessen, Hotelanlagen an den schönsten Aussichtslagen werden nicht mehr attraktiv sein. Die Schäden, die man mit diesem Gesetz anrichtet sind zurzeit noch unüberschaubar.

Philipp Gut

Sie sprechen die Alpen-Tourismusregionen an. Der Kanton Graubünden will da Vorreiter sein. Wie sehen Sie hier die Entwicklung?

Elias Vogt

Wenn der Bund einem Kanton Graubünden, einem der weltweit bekanntesten Tourismushotspots, den Auftrag gibt, 100 Windräder aufzustellen, dann kommt man nicht darum herum, dass diese Windturbinen eben in Davos auf der Lenzerheide, in Arosa, beim schweizerischen Nationalpark, also überall dort gebaut werden, wo die bekanntesten Tourismus-Standorte sind. Und wie ich bereits sagte, historisch hat das eine große Bedeutung, weil der Tourismus und die Alpen unsere Identität ausmachen. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Schweiz massiv gewachsen, ist zu einem der reichsten Länder der Welt geworden. Und dies unter anderem eben wegen dieser Landschaften, weil viele Leute aus dem Ausland zu uns gekommen sind, um diese Landschaften zu bewundern.

Philipp Vogt

Wie stellen Sie sich grundsätzlich zur Energiewende?

Elias Vogt

Was ich sicher sehe ist, dass die fossilen Energien zum Klimawandel führen und der Klimawandel ist schädlich. Da müssen wir Lösungen finden. Das Problem ist die Politik, wie sie das angeht. Sie hat die Bevölkerung gefragt, ob sie aus der Atomenergie aussteigen wolle.  Die Bevölkerung hat ja gesagt. Man hat die Bevölkerung gefragt, ob sie aus den fossilen Energien aussteigen wolle. Die Bevölkerung hat ja gesagt. Die Politik hat jedoch nicht erklärt, was das dann bedeutet, was das kostet und wie das genau funktionieren soll. Das ist für mich ein unlauteres Vorgehen. Es ist keine ehrliche Politik, wenn ich das so zusammenfassen darf.

Philipp Gut

Ich stelle mir die Frage, wie es möglich ist, dass so viele Organisationen, Parteien von rechts nach links, dieses Gesetz unterstützen.

Elias Vogt

Das Problem ist, dass die ganze Klimaallianz im gleichen Boot sitzt, sowohl die Solarlobby, als auch verschiedene Umweltverbände. Ich stelle fest, dass den Naturschutzverbänden oft das Rückgrat fehlt, sie sich nicht konsequent für den Naturschutz einsetzen, und dort bräuchte es viel mehr Klarheit.

Philipp Gut

Die Neue Zürcher Zeitung hat über sie getitelt, der Landschaftsschützer, vor dem sich Albert Rösti fürchten muss. Rösti ist der zuständige Bundesrat für dieses Dossier. Wie wollen Sie das Stimmvolk überzeugen? Die Volksabstimmung findet  im Juni dieses Jahres statt. Das ist ein sehr kurzfristiger Zeitplan.

Elias Vogt

Der ist vielleicht bewusst so gewählt. Ich glaube, in der Bevölkerung fehlt es an Informationen. Ich glaube, man muss die Bevölkerung ganz sachlich informieren. Was heißt es, eine Windturbine zu bauen? Was heißt es, wenn man sie im Wald baut? Was heißt es, wenn man eine Solaranlage in den Alpen baut, die 100 Fußballfelder groß ist und was passiert dann im Winter, wenn es Schnee hat? Und da glaube ich, da muss man mit Bildern, mit Informationen einfach auf die Leute zugehen und auf sehr vielen Kanälen.

Philipp Gut

Neben dieser Referendumsabstimmung, die, wie gesagt im Juni ansteht, haben Sie jüngst auch zwei neue Volksinitiativen angekündigt, die in eine ähnliche Richtung gehen. Können Sie kurz schildern, worum es dabei geht?

Elias Vogt

Für unseren Verband Freie Landschaft Schweiz sind der Naturschutz und die direkte Demokratie zwei Herzensanliegen, auf die wir besonderen Wert legen und die jetzt durch diesen Mantelerlass gefährdet sind. Wir sehen, wie im Parlament weiter geplant wird mit noch verrückteren Ideen, um die Volksabstimmung per se im Gesetz abzuschaffen, um den Naturschutz noch weiter einzuschränken, und da wollen wir Gegensteuer geben. Wir haben zwei Volksinitiativen lanciert. Die Waldschutz-Initiative und die Gemeinde-Initiative.

Die Waldschutz-Initiative möchte, dass Windräder in Wäldern und am Waldrand nicht mehr erlaubt sind und die Gemeinde-Initiative möchte, dass Windkraftanlagen, wenn solche geplant sind, immer die Zustimmung der betroffenen Bevölkerung brauchen. Die Unterschriftensammlung läuft jetzt, und wir müssen bis im Juli 2025 jeweils 100’000 gültige Unterschriften zusammentragen.

Das gesamte, ungekürzte Interview können Sie hier im Originalvideo sehen.

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