Der Wahrheit verpflichtet
10. Mai 2024 - Paul Siegenthal

Viel heiße Luft im Energiesektor: Bauernfängerei Anno 2024

Paul Siegenthal
Wer glaubt, Enkeltrickbetrüger seien die große Gefahr für leicht demente Rentner, der kennt die Energiebranche nicht. – Eine Reportage von Paul Siegenthal, lic. oec. HSG

Letzte Woche kam eine Energiefirma zu uns ins Dorf. Der Gemeindesaal war bis auf den letzten Platz mit Hausbesitzern voll. In der ersten Reihe saß der SVP-Gemeinderat in corpore. Er war bester Laune. Entweder freute er sich auf das Buffet oder auf profitable Aufträge. Ich weiß es nicht. Die Energiefirma bot an, in dieser Gemeinde (und zwei weiteren) ein Fernwärmenetz für 280 Millionen Franken zu bauen. Die Wärme stammt aus der Abwärme eines Datencenters. Damit würde Wasser erhitzt und in das Fernwärmenetz eingespeist. Es komme mit 35 bis 40 Grad beim Kunden an. Bestechende Idee!

Wärmepumpen sind Elektroheizungen

Meine Nachbarin hatte Mitleid mit den Mitarbeitern im Datencenter. Wie kann es sein, dass man diese Menschen bei 80 Grad arbeiten lässt? Der Mitarbeiter beruhigte sie. Die Abluft ist 40 Grad warm. Die Luft wird zuerst erwärmt. Macht es Sinn, Abwärme zuerst zu erhitzen?, fragte ihr Ehemann. Das Wasser komme ja mit 35 bis 40 Grad beim Kunden an. Die zusätzliche Energie gleicht nur den Übertragungsverlust auf dem Transport aus. Der Mitarbeiter hatte auch dafür eine Erklärung. Mit ihrer Wärmepumpe werde das Werk aus 1 kWh elektrischer Energie 4 kWh-Aquivalent Wärmeenergie generieren. Das klingt nach Alchemie. Das Fraunhofer Institut hat das untersucht und maß im Durchschnitt einen Wirkungsgrad des 1.5fachen der elektrischen Energie. Faktisch ist die Wärmepumpe nichts anderes als eine effiziente Elektroheizung, wie dieses Youtube-Video auf dem Kanal von Prof. Dr. Christian Rieck zeigt.

Die Kosten

«Was kostet die Installation?», wollte Peter, der Garagist, wissen. Der Verkäufer schien aufzuatmen. Endlich konnte er seine Argumente ausspielen. Die Anschlusskosten – die Verbindung von der Straße zum Gebäude – koste ca. 10'000 Franken pro Anschluss. Hinzu würden die Installationskosten im Gebäude selbst kommen. Man gehe im Durchschnitt von 20'000 Fr. aus. Insgesamt entsprächen die Kosten etwa einer Ölheizung.

Doch jetzt der Hammer! Die Energiekosten würden pro Wohnung zu aktuellen Preisen nur etwa 500 Franken pro Jahr betragen. Dieser Preis sei an den Strompreis gekoppelt.

«Finanziert man damit etwa die Kosten der Wärmepumpe?», fragte Peter stutzig. Der Verkäufer bejahte. Dank der Wärmepumpe seien die Preisschwankungen nur ein Viertel des Strompreises. Hinzu komme die Grundpauschale von ca. 3000 Franken pro Jahr für den Netzanschluss, fuhr der Verkäufer fort. Damit würden die Kosten für das Netz (Amortisation und Zinsen) abzahlt. Bei 3000 möglichen Haushalten würden so 9 Millionen Franken pro Jahr zusammenkommen.

Peter rechnete überschlagsmäßig aus, dass die Amortisation ohne Zinsen mindestens 30 Jahre dauern wird. Was ist, wenn sich nicht alle 3000 Haushalte anschließen oder die Zinsen steigen?

Der Preisüberwacher macht alles sicher

Der Verkäufer konterte: dann müsse wohl die Grundpauschale moderat angepasst werden. Aber es bestehe kein Grund zu Sorge. Mit dem Rechenzentrum habe man eine 50 Jahre geltende Liefervereinbarung. Zudem gebe es einen Preisüberwacher. Es könne also nichts passieren, alles sei sicher. Damit erübrigte sich die Frage, was geschähe, wenn das Rechenzentrum den Betrieb einstellt. Eigentlich nichts. Man kaufe mehr Strom zu und erhöhe die Preise. Eine Alternative hätten die Kunden nicht. Sie könnten für 10 Jahre nicht aus dem Vertrag aussteigen. Auch frieren würde nicht helfen: die Grundpauschale muss in jedem Fall bezahlt werden.

Der Deal und das Buffet

Plötzlich sprang der Chef der Energiefirma vom Stuhl. Er habe eine frohe Botschaft für alle Anwesenden. Wer heute Abend noch unterschreibe, bekomme 50 % der Anschlusskosten geschenkt. Die andere Hälfte sei erst in 2 Monaten fällig. Bereits ab 2029 würden die ersten Anschlüsse gelegt. Ob die Preise dann noch gelten würden, könne er jetzt noch nicht sagen, doch er gehe davon aus. In zwei Jahren wird er pensioniert – da ist es natürlich fraglich, ob ihn die Preisgestaltung 2029 noch interessieren wird.

Inbrünstig appellierte der Manager an das Umweltbewusstsein der Anwesenden und betonte, wie sicher und günstig die Fernwärme sei. Nur so könne man Putin ein Schnippchen schlagen.

«Stimmen sie Ja für das neue Energiegesetz», doppelte er nach, wobei der Vertreter des Kantons sogleich anfing, frenetisch zu klatschen. Die Türen öffneten sich und es begann der Wettlauf zum Buffet.

An der Bushaltestelle traf ich dann eine ältere Dame. Sie glaube an das Konzept, meinte sie. Sie sei es ihren Enkeln schuldig, eine saubere Welt zu hinterlassen. Zusätzlich zum Gewissen wird dann bestimmt auch ihr Konto sauber sein.

Fazit

Der Energiesektor ist schon lange von Fantasten gekapert worden, nun schlägt die Stunde der Rattenfänger. Die großen Profiteure sind grüne Hasardeure, Banken und das Baugewerbe, sicher nicht die Umwelt. Damit erklärt sich auch, warum selbst die Wirtschaft zusammen mit den Mainstream-Medien so intensiv für grüne Anliegen weibelt. Wie sagte Jean Ziegler einst? Wenn Sie einen Schweizer Bankier aus dem Fenster springen sehen, springen Sie nach. Es gibt bestimmt etwas zu verdienen.

© Foto: Paul Siegenthal

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