Der Wahrheit verpflichtet
18. Mai 2024 - Paul Siegenthal

In den Fängen der Datenkraken: Der verkaufte Bürger

Paul Siegenthal
Das Datenschutzgesetz (DSG) ist ein typisches Lobbyistengesetz. Es schützt Großunternehmen, macht den kleinen Unternehmen das Leben schwer und lässt die Konsumenten rechtelos zurück – Eine Probe aufs Exempel von Paul Siegenthal.

Am 22. August 2023 verschickte ich 23 Daten-Auskunftsbegehren an die grössten Datensammler der Schweiz. Etwa die Hälfte der Angeschriebenen waren allgemein bekannte Dienstleistungsunternehmen, die andere Hälfte Datensammler. Die Adressen entnahm ich einer Konsumentenschutzorganisation (digitale-gesellschaft.ch), ebenso wie das Musterschreiben.

Nach einem Monat ...

... hatte etwa die Hälfte der Unternehmen geantwortet, vor allem jene, die angeblich keine Informationen hatten. Oft lag ein Auszug aus deren Datenbank bei. Mit einigen hatte ich tatsächlich nie Kontakt, bei anderen lag der Kontakt längere Zeit zurück. Es besteht keinerlei Möglichkeit, deren Auskunft zu überprüfen. Die Daten könnten entweder verkauft und dann gelöscht oder sie können lediglich für einfache Mitarbeiter gesperrt, aber nicht gelöscht worden sein. Ebenso wäre es technisch einfach, die Daten im Ausland zu hosten, wo dem keine Datenschutzbestimmungen entgegenstehen. Der Zugriff wäre jederzeit möglich. Der Bürger ist also vollkommen den Auskunftsgebern ausgeliefert.

Unprofessionelle Datenzustellung

Die Kompetenz, bzw. die Inkompetenz der Datenkraken, zeigt sich exemplarisch im Umgang mit den Daten selbst. Viele Antworten wurden mit normaler Post verschickt, einige kamen eingeschrieben – soweit so gut. Etwas abenteuerlich war die Zustellung per Datenstick: Eine vollständige Auskunft erhielt ich von der Krankenkasse (Atupri). Die dort aufgeführten Daten umfassten sämtliche Abrechnungen, ebenso wie sämtliche kaufmännische Korrespondenz wie Mahnschreiben u. Ä. Mit separater Post erhielt ich am gleichen Tag einen Code, der so lange war, dass er kaum abgeschrieben werden konnte. Ohne solide Informatikkenntnisse wäre es mir wohl nicht gelungen, diese Informationen zu lesen (Verschlüsselungssoftware).

Das andere Extrem war der Coop Rechtsschutz. Er wollte zuerst die Adresse verifiziert haben und das, obwohl ich die Anfragen an Coop gerichtet hatte (Daten über die Einkäufe.) Nach einem längeren Briefwechsel wurden schlussendlich die Daten unverschlüsselt auf einem Stick zugeschickt. Der Stick hing aus dem Couvert heraus und hätte von jedem eingesehen werden können. Eigentlich weiß jedes Kind, dass Couverts mit einem festen Gegenstand darin die Sortiermaschine der Post kaum überleben.

Die Long-Gamer

Drei Unternehmen (Mobiliar, Coop, Digitec, Postfinance) spielten das Long-Game. Die Mobiliar schickte mir eine Abhandlung über das DSG zu, aber nicht die Daten. Ihre Absicht war klar: sie wollten den Anfragenden mit seitenlangem, bedeutungslosem Blabla zuschütten. Dies in der Hoffnung, dass er seine Anfragerei irgendwann bleiben lassen möge.
Digitec schickte mir ein Passwort zu, aber keine Daten. Nach mehrmaligem Nachhaken kamen die Daten dann irgendwann doch. Die Postfinance antwortete nach 6 Wochen und erstreckte die gesetzte Frist um weitere 30 Tage. Und pünktlich vor Ende dieser 30 Tage Frist, kam die nächste Fristverlängerung ...

Keine Reaktion

Einige der Angefragten reagierten überhaupt nicht. Darunter die staatlichen Dienstleister Post CH und Swisscom. Es scheint, dass das DSG vor allem für private Unternehmen gilt, wenn überhaupt. Ebenfalls keine Reaktion kam von der Sunrise/UPC und Moneyhouse.

Generell kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Firmen aus allen Wolken fallen, wenn nun einmal ein Bürger tatsächlich von seinem Recht auf Datenauskunft Gebrauch macht. Es traf sie wohl unvorbereitet. Man konnte es förmlich mit den Händen greifen, dass das Begehren nervte. Leider lässt das auch den Schluss zu, dass der Bürger vollkommen arglos ist, wenn es um seine Daten geht.

Allerdings gibt es auch Methoden, den Datenkraken das Leben zumindest etwas schwerer zu machen. Falls Sie das interessiert und Sie mehr darüber wissen möchten, lassen Sie es uns in den Kommentaren unter diesem Beitrag wissen.

© Foto: Paul Siegenthal

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