Der Wahrheit verpflichtet
22. Oktober 2024 - Paul Siegenthal 4

Verkaufsplattformen – Der größte Gauner ist der Betreiber

Paul Siegenthal
Ist es nicht verlockend, die Couch auf Ricardo oder Tutti zu verkaufen? Die Umwelt wird geschont und der Verkäufer spart sich die Entsorgungsgebühren. Mit Glück gibt es einen kleinen Batzen obendrauf. Wo Hänsel und Gretel auf ein Schnäppchen hoffen, wird natürlich betrogen und beschissen, was das Zeug hält. – Ein Kommentar von Paul Siegenthal, lic. oec. HSG

Kaufe Schulden, zahle Höchstpreise. Von Hehlerware bis zum Wundermittel findet der Käufer hier alles. Es gibt sogar Käufer für Privatschulden «zu Höchstpreisen», natürlich nur gegen eine faire Courtage von 5 % im Voraus.

Konzernjournalismus. Ricardo und Tutti gehören der TX Group. Zu dieser Mediengruppe gehört der Tagesanzeiger, 20min, usw. Damit ist gesichert, dass die Plattformen immer wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung gerufen werden.

Kampf den Betrügern  zum Selbstzweck. Man erfährt z. B. in den Medien, wie Ricardo konsequent gegen Betrüger vorgeht, die eine falsche Absenderadresse verwenden. Eigentlich kann das einem Kunden egal sein, sofern er seine Ware erhält. Angst hat vor allem die Plattform selbst. Sie fürchtet um ihre horrenden Gebühren. Unter dem Strich kassiert sie etwa 1/3 des Umsatzes.

Tutti. Neben Ricardo betreibt die TX-Group das Kleinanzeigenportal Tutti. Hier kann der Verkäufer ein paar Inserate kostenlos schalten – meistens erfolglos. Die Inserate sind mit «no follow» gekennzeichnet. In Suchmaschinen tauchen die Resultate nicht auf. Der Käufer ist also gezwungen, die Webseite Tutti zu besuchen. TX Group freut das: Sie kann Werbung verkaufen.

Ein Abo für eine Zahl. Verkäufer auf Tutti können die Besucherzahl erhöhen, wenn sie ein Abo abschließen. Und tatsächlich, nach einer Stunde hat man bereits 80 Views und dann keine mehr. Ein Schelm wer denkt, dass man für das Geld bestenfalls eine geänderte Viewzahl bekommt. Auf einen Verkauf hofft der Verkäufer vergebens.

Fusion. Medienkonzerne verdienen kein Geld mehr im Print. Ihre Gewinne erwirtschaften sie mit Onlineplattformen. Der Werbetrottel (Fachsprache für User) kommt via Handy oder PC zu ihnen. 2021 fusionierten TX Group und Scout24 (Ringier) zur Swiss Marketplace Group. Seither besteht ein Monopol auf dem Werbemarkt. Die Gebühren sind horrend.

Warum keine Konkurrenz? Es ist keine Hexerei, eine Kleinanzeigen-Plattform ins Internet zu stellen. Jeder Informatik-Freak ist dazu in der Lage. Wirtschaftlich stellt sich die Frage, warum die alternativen Medienportale in der Schweiz keine Alternative auf dem Werbemarkt anbieten. Mittlerweile informieren sich ein Drittel der Bewohner auf diesen Plattformen. Vom Anzeigemarkt erhalten sie jedoch weniger als 1 %.

Per aspera ad astra. Der Anfang wäre sicherlich harzig. Kaum wäre die Plattform online, würden im Mainstream Schauergeschichten auftauchen: «Nazis betreiben Verkaufsplattform, um Mondbasis zu finanzieren» oder ähnliches. Es wird sich auch ein geneigter  Staatsanwalt finden, der den Server zumindest zeitweise vom Netz nimmt. Da müsste man dann einfach durch.

Anmerkung der Redaktion:

Bereits auf die Beine gestellt wurde die alternative Verkaufsplattform Radigs, dies über den Verein Graswurzle. Mehr Infos dazu HIER auf der Website von Radigs.

 

Kennen Sie, lieber Leser, liebe Leserin noch eine weitere Alternative, die sie empfehlen können? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen!

 

© Foto: Paul Siegenthal

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4 Kommentare zu “Verkaufsplattformen – Der größte Gauner ist der Betreiber”

  • paulsiegenthal sagt:

    Tutti: Die Besucherfrequenz ist so niedrig, dass die Produkte teils jahrelang einfach "im Regal" hängenblieben. Und wenn sich dann tatsächlich mal jemand meldet, ist die erste Frage: "Lässt sich am Preis noch was machen?" Das ist nicht allein die Schuld von Tutti, sondern von den billigen Angeboten auf Aliexpress. Wenn man dann noch den Aufwand für den Versand oder Abholung dazurechnet, ist es vernünftiger, das Zeugs gleich wegzuschmeissen.

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  • paulsiegenthal sagt:

    Grüezi Herr Montagna. 12% sind die absolute Minimalgebühr. Ich bin schon seit Jahren nicht mehr auf Ricardo, habe aber damals meine Kosten ziemlich genau dokumentiert. Wenn ich alles in allem zusammenrechnete, inkl. Porto, Retouren, Promos, etc. hatte ich eine Bruttomarkge von etwa 2/3 des Verkaufserlös, meine Arbeit nicht gerechnet. Klar, ich habe keine Luxusartikel verkauft, sondern relativ günstige Alltagsgegenstände.
    Ev. hätte ich es anders formulieren sollen: ... etwa 2/3 blieb hängen ...

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  • Giovanni Montagna sagt:

    Trotz Hoch2-User, Graswurzlefan und Staatsmedienverweigerer möchte ich meine Erfahrung mit Ricardo und Tutti kundtun: 1/3 des Umsatzes habe ich nie abgeben müssen, es sind momentan 12%. Bei Tutti, wo ich seit über 10 Jahren erfolgreich verkaufe, hängt der Verkauf nur von meinen Fotos, der Beschreibung und letztlich dem Verkaufspreis ab. Werbung gibt es aber tatsächlich, recht aufdringlich, aber wo nicht? Und schützen muss eigenverantwortlich gehandhabt werden…

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    • paulsiegenthal sagt:

      Grüezi Herr Montagna. 12% sind die absolute Minimalgebühr. Ich bin schon seit Jahren nicht mehr auf Ricardo, habe aber damals meine Kosten ziemlich genau dokumentiert. Wenn ich alles in allem zusammenrechnete, inkl. Porto, Retouren, Promos, etc. hatte ich eine Bruttomarkge von etwa 2/3 des Verkaufserlös, meine Arbeit nicht gerechnet. Klar, ich habe keine Luxusartikel verkauft, sondern relativ günstige Alltagsgegenstände.
      Ev. hätte ich es anders formulieren sollen: ... etwa 2/3 blieb hängen ...

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