Der Wahrheit verpflichtet
17. Juli 2023 - Stephan Seiler

Ständig ruft der Höllenhund

Stephan Seiler
Tiefer Griff in die Mytholgie-Trickkiste, um Angst zu verbreiten: Höllenhund Cerberus ist momentan hoch im Kurs, egal ob als Namensgeber für eine Virus-Variante oder ein Hochdruckgebiet.
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News vom 17. Juli 2023

Der Höllenhund Cerberus musste seine Köpfe nicht nur für eine angeblich neue Virusvariante im letzten Herbst herhalten, sondern neuerdings auch für im Sommer übliche Bodentemperaturen.

Der griechischen Mythologie nach war Cerberus der Wachhund vor den Toren des Hades. Mit einem Geschmack für menschliches Fleisch verschlang er mit seinen drei Köpfen gelegentlich auch jene, die es wagten, ohne Erlaubnis in den Hades einzutreten. Der Höllenhund hat laut der griechischen Sage auch die Seelen vor dem Entkommen abgehalten. Noch Ende November warnte die Boulevardzeitung Blick vor einer neuen Corona-Variante namens Cerberus. Vielleicht wollte der Blick, wie Cerberus in der Sage, die armen Seelen verängstigter Leser ebenfalls nicht einfach so entkommen lassen? Die Corona-Fallzahlen seien tendenziell gesunken, doch Cerberus könnte zu neuen Fällen führen, schreckte das Boulevardblatt seine Leserschaft. Es sei auffällig, dass sich die Symptome der neusten Variante von den bisherigen unterscheiden würden. Das Ringier-Blatt bezog sich bei den gewagten Äußerungen aber nicht etwa auf wissenschaftliche Evidenz, sondern auf die französische Zeitung «L'Indépendant», die vor steigenden Fallzahlen im Winter warnte. Der Blick behauptete, Cerberus mache sich mit den folgenden Symptomen bemerkbar:

«Allgemeines Unwohlsein, Halsschmerzen, Husten, grippeähnliche Symptome, Muskelschmerzen, Schnupfen, Atembeschwerden und Herzrhythmus-Störungen.»

Alles Symptome, die vom Bundesamt für Gesundheit schon für die erste Variante von SARS-CoV-2 beschrieben wurden. Einzige Ausnahme: Die Herzrhythmus-Störungen, die laut belastbaren Daten möglicherweise sowieso eher auf die Gentherapeutika zurückzuführen sind. Die Höllenhund-Variante sei bereits Anfang November des letzten Jahres für 20 bis 50 Prozent der Corona-Fälle verantwortlich gewesen. Wie immer ließ das Blatt Experten sprechen, die es aber nur wagten, jeweils im Konjunktiv zu sprechen. So sagte Richard Neher, Professor für Biophysik am Biozentrum der Universität Basel, dass die Mutation das Immunsystem umgehen und sich das Virus damit einen Übertragungsvorteil verschaffen könnte.

Trotz all dieser furchteinflößenden Vorhersagen wurde unser Land von Cerberus dennoch nicht heimgesucht. Doch der Höllenhund darf sich offenbar nicht ausruhen. Denn auch für die angebliche Mega-Hitze mit gefährlichen Folgen für Südeuropa wurde er vom Blick kürzlich verantwortlich gemacht. Das Hochdruckgebiet Cerberus könnte die Oberflächentemperatur in Südeuropa in die Höhe treiben, warnte das Blatt am letzten Freitag mit dem Titel: «Höllenhund Cerberus heizt den Mittelmeerraum auf». So, als hätten Hochdruckgebiete die Temperaturen im Süden Europas noch nie ansteigen lassen. Das Ringier-Blatt schrieb mit Bezug auf sogenannte «Satelliten-Experten» nicht etwa von der Luft-, sondern von der Bodentemperatur:

«Cerberus heizt den Böden kräftig ein. Die bislang höchste je gemessene Oberflächentemperatur von 48,8 Grad wurde am 11. August 2021 in der italienischen Stadt Floridia in der Region Sizilien gemessen.»

Die angsteinflößende Meldung erweckt den Eindruck, als wären Bodentemperaturen auf diesem Niveau rekordverdächtig. Immerhin wies das Boulevardblatt beiläufig darauf hin, dass die Temperatur in der Luft deutlich kühler sein könne als auf dem Boden. Der zitierte Wetterexperte Klaus Marquardt hält die Blick-Leser offensichtlich für komplett lebensunerfahren und wirft mit Ratschlägen um sich:

«Schweizern, die gerade in den Mittelmeer-Ferien sind, wird geraten, den Schatten zu suchen und sich nicht zu lange der prallen Sonne auszusetzen. Auch barfuß über den erhitzten Boden zu laufen, könne sehr unangenehm sein und im Extremfall zu Verletzungen führen.»

Es scheint, als wolle der Mainstream die bereits zu Beginn des Jahres versprochene Gluthitze in Europa nun auf Biegen und Brechen heraufbeschwören – und da das Thermometer nicht ganz wie gewünscht mitmacht, gräbt man nun in den Tiefen der Mythologie-Trickkiste.

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