Am Samstag gingen in Deutschlands Atomkraftwerken die Lichter aus. Die AKW Isar 2, Neckarwestheim und Emsland gingen vom Netz. Ein Entscheid, der bereits 2011 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlossen wurde, aber nicht von allen Politikern mitgetragen wird. Wie beispielsweise von Mario Voigt. Medienberichten zufolge äußerte sich der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion kritisch zum Atomausstieg:
«Jetzt endgültig aus der Kernenergie auszusteigen, ist angesichts der Zeitenwende ein historischer Fehler. Die Welt ist heute eine völlig andere als 2011. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben sich auch die energiepolitischen Parameter völlig verändert.»
Ins gleiche Horn bläst auch Ralf Pieterwas von der Industrie- und Handelskammer Südthüringen:
«Diese Abschaltung ohne Not gefährdet sowohl kurz- als auch langfristig eine stabile und bezahlbare Energieversorgung für Wirtschaft und Gesellschaft.»
Eigentlich wäre der Ausstieg bereits für Ende 2022 geplant gewesen. Der Russland-Ukraine-Konflikt führte jedoch zu einer Verlängerung der Laufzeiten. Die Stilllegung der Kernenergie stößt in Polen auf Unverständnis. Denn die Energiepolitik in Warschau ist das genaue Gegenteil: Polen steigt in die Atomkraft ein. Eine Energie-Strategie, die parteiübergreifend befürwortet wird. Die Umweltministerin Anna Moskwa nahm öffentlich dazu Stellung:
«Mit dem Gedanken an die Jahre 2030, 2031 oder 2032, an all die Jahre danach, haben wir heute die Entscheidung getroffen, das Schlüsselprojekt für Polens Energiesicherheit erfolgreich zu Ende zu bringen: den Bau des Atomkraftwerks für Polen.»
Das Bauprojekt von insgesamt sechs AKW startet ab 2026 und soll bis Mitte der 2040er-Jahre fertiggestellt werden. Mit dem Ende der Kernenergie schwimmt Deutschland also gegen den Strom, wie eine ARD-Dokumentation zeigt. Weltweit werden neue AKW gebaut oder modernisiert.
Fragt man die Bürger selbst, sind auch sie nicht überzeugt, dass das Aus der Atomkraft der richtige Schritt war, wie eine ARD-Umfrage zeigt. Knapp 60 Prozent hätten sich einen Weiterbetrieb gewünscht. Der Ausstieg hat am vergangenen Samstag einige Menschen mit unterschiedlicher Haltung auf die Straße gebracht. Mit dabei war auch ein Pro-Kernkraft-Bündnis, das sich mit rund 400 Teilnehmenden vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelte.
Welche Folgen hat nun der Atomausstieg für Deutschland? Einer Studie der Universität Stuttgart zufolge, soll das Weltklima aufgrund der Stilllegung mit 15 Millionen Tonnen zusätzlich ausgestoßenem Treibhausgas CO2 pro Jahr belastet werden. Rainer Klute, Vorsitzender des Vereins Nuklearia, erklärt gegenüber der HOCH2-Redaktion, wer das Energieloch nun füllen muss:
«Die gesicherte Leistung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke muss nun aus anderen Quellen kommen. Doch erneuerbare Energien stoßen an natürliche Grenzen: Sie liefern nur zu oft keinen oder viel zu wenig Strom. Die Lücken füllen kann Deutschland ab sofort nur noch mit Gas und Kohle, beide klimaschädlich.
Das so verringerte Stromangebot führt unweigerlich zu steigenden Strompreisen, und zwar nicht nur in Deutschland. Für die Kosten des deutschen Atomausstiegs muss ganz Europa aufkommen.
Deutschland kann dies in der Staatengemeinschaft nicht auf Dauer rechtfertigen. Auch den eigenen Bürgern gegenüber ist dies nicht mehr vermittelbar. Ich rechne daher damit, dass es in der nächsten Legislaturperiode zu einer Änderung des Atomgesetzes kommt und Kernkraftwerke wieder genehmigungsfähig werden.»
In der Schweiz steht das Atom-Aus ebenfalls immer wieder zur Debatte; das letzte Mal wurde 2017 darüber abgestimmt. Noch sind die Kernkraftwerke am Netz; ein Ausstieg wäre für den Energie-Club Schweiz problematisch:
«Wind und Sonne liefern einigermaßen sauberen Strom. Aber sie liefern nicht zuverlässig Strom. Die Sonne geht jeden Abend unter. Sehr oft ist es windstill. Schneebedeckte Solarzellen produzieren keinen Strom. In dieser Situation nützt es auch nichts, wenn wir fünfmal mehr Solarzellen installieren. Die Stromversorgung wird nicht zuverlässiger. Die Schweiz braucht eine zuverlässige Stromversorgung. Ohne Kernenergie funktioniert das nicht.»
Laut einer Blick-Umfrage sprechen sich 55 Prozent der Befragten für die Kernenergie aus; 9 Prozent tendieren ebenfalls dazu, weiterhin auf Atomkraftwerke zu setzen. Lediglich 25 Prozent fordern die Stilllegung der AKW.