Der Wahrheit verpflichtet
27. März 2023 - Stephan Seiler

Ausverkauf der Schweiz

Stephan Seiler
Im Wallis wird eine der grössten Quellen der Schweiz an Chinesen verkauft und Wucher-Preise für Strom gefährden die Existenz von Klein- und Mittelbetrieben.
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News vom 27. März 2023

Die Mineralwasserquelle «Millachern» im malerischen Dorf «Turtmann» im Kanton Wallis, ist eine der größten in der Schweiz. Gemäß Angaben liefert sie im Sommer rund 1600 Liter frisches Trinkwasser pro Minute. 2009 hat die Gemeindeversammlung des Ortes einem Quellrechtsvertrag über 99 Jahre mit einem lokalen Unternehmen zugestimmt. Seit Jahren kommt das Projekt allerdings nicht vom Fleck. Der Unternehmer habe die Quellrechte bisher nicht verkaufen können. Laut der Boulevardzeitung Blick gibt es einen Walliser Investor, der für das Projekt mehrere Millionen Franken für die Rechte am Quellwasser bietet. Doch ein vorliegendes Angebot chinesischer Investoren sei besser. Deshalb komme der lokale Investor nicht in Frage. Das Quellwasser würde dann durch die Chinesen in Flaschen mit Matterhorn-Sujet abgefüllt und exportiert werden. Ein heikler Plan. Besonders in Anbetracht dessen, dass die Bevölkerung im trockenen Sommer 2022 Wasser sparen musste und beispielsweise das Auto nicht mehr waschen durfte. Im Dorf hätten die Pläne für rote Köpfe gesorgt. Der vom Blick zitierte ETH-Professor Urs von Gunten findet die Verkaufspläne ebenfalls problematisch:

«Angesichts der zu erwartenden zunehmenden Trockenheit in besagter Region scheint es mir problematisch, solche Wasserressourcen zu privatisieren.»

Für Investoren sei das Trinkwasser ein gutes Geschäft: In Flaschen abgefülltes Wasser sei rund 1000 Mal teurer als Trinkwasser aus der Leitung. Mit überschaubarem Aufwand könne man damit satte Gewinne erzielen. Gewinne, die zukünftig wohl nach China abwandern. Wie das freie Medienportal «Infosperber» schreibt, machen Großkonzerne wie Nestlé und Danone mit der Ausbeutung von Quellen schon länger Profite. In den französischen Gemeinden Vittel und Volvic zapfen sie Trinkwasser an, während die dortige Bevölkerung auf dem Trockenen bleibt.

Satte Gewinne scheinen auch Schweizer Stromlieferanten zu machen. Wie der Journalist Lukas Hässig von «Inside-Paradeplatz» berichtet, offeriere das Stadtzürcher Elektrizitätswerk «EWZ» bis zu fünffach höhere Strompreise für Unternehmen. Bei heutigen Kosten von 61 Franken pro Megawatt-Stunde, lägen neue Verträge, die bis Ende 2025 gelten sollen, bei 310 Franken: Ein Preisaufschlag von über 400 Prozent. Der Strom stamme hingegen nicht aus inländischen und besonders ökologischen Quellen, denn in der EWZ-Offerte heiße es unter dem Punkt Stromqualität:

«Strom aus europäischen Wasserkraftwerken mit einem Anteil gefördertem Strom aus erneuerbaren Energien.»

Ein Großteil des satten Gewinns scheint also auch hier ins Ausland abzuwandern. Und dies bei gleichzeitig einbrechenden Energiepreisen und gefüllten Wasserspeichern im Inland. Laut «Statista» lag der Preis bei der Europäischen Strombörse «EPEX» im Januar 2023 bei 117 Euro pro Megawatt-Stunde und damit neun Prozent tiefer als im selben Monat des Vorjahres. Der vom «EWZ» verlangte «Wucherpreis» ist damit fast dreimal höher als am Spotmarkt. Viele Klein- und Mittelbetriebe, die das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft bilden, sind von diesem Preisschock betroffen. Durch die teils massiven Lieferengpässe steigen gleichzeitig auch ihre Einkaufspreise für Güter. Die Folgen davon sind Stellenabbau, Entlassungen und höhere Preise für Endverbraucher. Auch die Firmenpleiten explodieren. Laut einer Studie der Auskunftei «Dun & Bradstreet» nahmen die Unternehmenskonkurse im wirtschaftsstärksten Kanton Zürich im letzten Jahr um 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

Auch viele Privathaushalte sind vom «Strom-Schock» betroffen. Der Preisüberwacher Stefan Meierhans macht dazu Vorschläge: Der Bundesrat müsse die Nutzungstarife anpassen, was schon seit rund zehn Jahren fällig sei. Damit könne der Strompreis um bis zu 10 Prozent gesenkt werden. Das Schweizer Parlament wolle von diesem Vorschlag hingegen nichts wissen. Die klebrige Nähe zur Stromwirtschaft sei zu stark. So manch ein Ratsmitglied sitze im Verwaltungsrat in einem der rund 650 Schweizer Netzbetreiber. «Man kennt sich und tut sich deshalb ungern weh», resümiert der «Blick». Die Energieministerin Simonetta Sommaruga und der Wirtschaftsminister Guy Parmelin schauen dem skandalösen Treiben tatenlos zu und animieren gleichzeitig die Bevölkerung zum Stromsparen.

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