Der Wahrheit verpflichtet
08. November 2023 - Fabian Ramseyer

BodyCam hält Einzug bei der Polizei Zürich

Fabian Ramseyer
In Zürich tragen bald einige Polizisten eine Bodycam. Diese soll Eskalationen verhindern und in gegebenen Fällen der Beweissicherung dienen. Wann aber wird gefilmt und wie sieht es mit den Rechten der Gefilmten aus?
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News vom 8. November 2023

Am 1. November 2023 gab der Stadtrat Zürich bekannt, dass per 1. Januar 2024 die Bodycam-Verordnung in Kraft tritt, jedoch die Aufnahmen frühstens ab dem 2. Quartal 2024 gemacht werden. Man kennt die Bodycams vor allem von Aufnahmen aus Amerika, wo die meisten Polizisten diese tragen und damit ihren gesamten Dienstalltag filmen. Die Aufnahmen werden gebuffert und falls nicht verwendet, gelöscht. In Zürich wählt man einen etwas anderen Weg. Zum einen trägt nicht jeder Polizeibeamte eine Bodycam, sondern nur auserwählte, sogenannte kameraführende Polizeiangehörige. Diese müssen auch klar gekennzeichnet werden, verdeckte Aufnahmen sind nicht erlaubt. Zum anderen sind die Aufnahmen nicht durchläufig, sondern werden basierend auf der Situation an- und ausgeschaltet. In der Medienmitteilung beschreibt der Stadtrat den Grund für die technische Erweiterung folgendermaßen:

«Am 7. Juli 2021 verabschiedete der Gemeinderat die Verordnung über den Einsatz von Bodycams bei der Stadtpolizei. Bodycams sollen als mildes Einsatzmittel zur Deeskalation bei Personenkontrollen eingesetzt werden, beispielsweise wenn der Dialog nicht ausreicht. Die Kameras haben einerseits eine Kontrollfunktion beziehungsweise Schutzfunktion: Der Einsatz macht den Privaten wie auch den Polizeiangehörigen bewusst, dass ihr Verhalten im Falle einer Eskalation überprüft werden kann. Andererseits haben die Geräte eine Beweisfunktion, da die Aufnahmen als Beweismittel beispielsweise in einem Strafverfahren verwendet werden können.»

Für uns war dies zu wenig aussagekräftig, insbesondere fragten wir uns, inwiefern die Kamera für beide Seiten einen Vorteil bieten sollte. Auf unsere Presseanfrage schickte uns Robert Soos, Kommunikationsleiter Sicherheitsdepartement, freundlicherweise den Verordnungstext und beantwortete auch unsere Fragen.
Die Verordnung vom 7.Juli 2021 beschreibt etwas genauer, wie die Handhabung der Bodycams geregelt sein soll. Im Artikel 5 ist definiert, wann eine Aufnahme gestartet werden soll und wie zu kommunizieren ist:

1 Die Stadtpolizei startet bei Anhaltungen oder Kontrollen von Privatpersonen die Aufzeichnung, wenn sie aufgrund der Umstände annehmen muss, dass:

a. eine strafbare Handlung begangen wurde oder begangen werden könnte;
b. eine physische oder verbale Eskalation unmittelbar bevorsteht.

2 Die Stadtpolizei kündigt betroffenen Privatpersonen die Aufzeichnung mündlich
an.

3 Auf eine Ankündigung der Aufzeichnung kann verzichtet werden, wenn mutmasslich strabare Handlungen bereits im Gang sind.

4 Betroffene werden über die erfolgte Aufnahme möglichst rasch informiert.

Die kameratragenden Polizeiangehörigen müssen also auf den Aufnahmestart hinweisen, beziehungsweise schnellstmöglich darüber informieren. Dabei sei erwähnt, dass die besagte Aufnahme auch zwei Minuten vor dem Betätigen des Aufnahmekopfes mit aufzeichnet. Des Weiteren wird eine Aufnahme auch optisch angezeigt. Die Aufnahmen selbst werden an einen polizeiunabhängigen Dienstleister übertragen, sobald die Bodycam mit der Dockingstation verbunden wird. Die Polizei hat nicht die Möglichkeit, die Aufnahmen zu bearbeiten oder zu löschen. Jedoch startet, beziehungsweise beendet die kameraführende Polizeiperson die Aufnahme. Die Verordnung besagt dabei in Artikel 7: «Die Stadtpolizei erfasst nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung der Umstände den Kontakt zwischen den Polizeiangehörigen und den Privatpersonen ganzheitlich, damit deren Verhalten objektiv beurteilt werden kann.» Auf unsere Anfrage, ob die Kontrollfunktion der Polizeibeamten nicht sehr begrenzt sei, da der Polizist entscheide, wann er die Aufnahme starten und beenden kann, antwortete Herr Soos:

«... die Vorgaben von Art. 5 Bodycam-Verordnung [sind] klar. Es steht demnach nicht im Belieben der kameraführenden Polizeiangehörigen, wann sie eine Aufnahme starten bzw. beenden.»

Nach Prüfung der Verordnung, müssen wir wohl auf die Polizeiangehörigen vertrauen, dass sie diese Bestimmungen auch dann ausführen, sollte es einmal zu einer möglichen negativ auslegbaren Situation kommen. Zudem bleibt zu hoffen, dass keine Kamera verlorengeht, bevor sie die Daten über die Dockingstation hochladen konnte. Insgesamt kann die Kamera wohl in der Tat helfen, Eskalationen zu verhindern und Beweise zu sichern. Will man sicherstellen, dass eine Aufnahme gemacht wird, kann man dies gemäß Artikel 6 als betroffene Person machen, indem man eine Aufnahme verlangt. Wie dieses neue Mittel der Deeseskalation zugutekommt, bleibt abzuwarten. Die Gratwanderung zwischen Sicherheit und Überwachung scheint im Vergleich mit anderen Projekten aber nicht schlecht gemeistert worden zu sein. So werden die Daten nach 100 Tagen gelöscht und digitale Gesichtserkennungen sind gemäß Verordnung nicht erlaubt. Vorteile für die Bevölkerung bzw. den «Kunden», also die kontrollierte Person, scheinen eher marginal.

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