Der Wahrheit verpflichtet
14. April 2023 - Stephan Seiler

Deutschland im Abstieg

Stephan Seiler
Im neusten Ranking von 21 Industriestaaten, hat kein anderes Land mehr an Attraktivität eingebüsst wie Deutschland. Investitionsprämien für den Klimaschutz sollen es richten.
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News vom 14. April 2023

Hohe Energiekosten, Regulierungswahn, eine hohe Steuerlast ohne Gegenleistung und schlechte Infrastruktur. Die Rede ist nicht etwa von einem Drittweltland, sondern von Deutschland, der stärksten Wirtschaftslokomotive in Europa. Laut einer dem Handelsblatt vorliegenden Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer DIHK, verlagern Deutsche Unternehmen ihr Geschäft zunehmend ins Ausland. 32 Prozent der Investitionen außerhalb Deutschlands, seien aus Gründen der Kostenersparnis getätigt worden. Das Handelsblatt schreibt dazu:

«Damit verlassen aus Kostengründen so viele deutsche Firmen den Heimatmarkt wie seit 15 Jahren nicht mehr. Vor zehn Jahren wurden nur 20 Prozent der Auslandsinvestitionen aus diesem Grund getätigt.»

Der zunehmende Wegzug von Unternehmen verstärke die Sorge vor einer weiteren Abwanderungswelle. Wegen hohen Energiepreisen, hohen Bürokratiekosten und gleichzeitig hoher Steuerbelastung, gelte der Wirtschaftsstandort Deutschland zunehmend als Nachteil. Zudem herrsche in Deutschland ein Regulierungswahn und die Digitalisierung komme nur schleppend voran. Laut einer kürzlich veröffentlichte Studie der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, bewertet nur noch gut ein Drittel der in unserem Nachbarland tätigen US-Unternehmen den Standort als «gut» oder «sehr gut». Im vergangenen Jahr waren es noch 59 und 2021 gar noch 63 Prozent, die den deutschen Standort als «gut» betrachteten. Gegenüber 2021 ist das ein Minus von immerhin 29 Prozent. Während laut derselben Befragung 74 Prozent der deutschen Unternehmen ihre Aktivitäten in den USA ausbauen wollen, investiert im Gegensatz dazu nur noch rund jedes zweite US-Unternehmen in Deutschland. Gründe für die USA-Abwanderung sind vor allem billige Energie und niedrige Steuern. Mit dem «Inflation Reduction Act» legte die US-Regierung ein Förderprogramm in dreistelliger Milliardenhöhe auf. Unternehmen, die US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren, können davon profitieren. Der Deutsche Wirtschaftsverband warnt davor, dass dies den Niedergang der deutschen Industrie bedeuten könnte.

Das «Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung», kurz ZEW, verglich im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen vor kurzem die Standortbedingungen von 21 Industriestaaten. Der ZEW-Index gilt auch als wichtiger Indikator an der Börse. Das ernüchternde Ergebnis: Mit einem Punktwert von nur 47,9 Prozent liegt Deutschland auf dem viertletzten Platz. Auch wenn der deutsche Wert nur knapp hinter Frankreich, Japan oder der Slowakei liegt, ist die Abwärtstendenz besorgniserregend. Kein anderer Standort hat seit 2006 mehr an Attraktivität eingebüßt als Deutschland. Ganz vorne liegt die USA, gefolgt von Kanada, Schweden und der Schweiz.

Hinter der Methodik des Standortvergleichs liegt eine Standortbetrachtung aus der Perspektive großer Familienunternehmen. Der Punkteindex bezieht eine Reihe von Indikatoren aus sechs Themengebieten mit ein, wie etwa: Steuern, Arbeitskosten, Produktivität, Infrastruktur und Energie. Das Fazit des deutschen Problems:

«Deutschland verlangt von Unternehmen im internationalen Vergleich sehr hohe Steuern, und bietet dafür keine adäquate Gegenleistung.»

Der einzig überzeugende Aktivposten des deutschen Standorts ist der Bereich der Finanzierung, in dem Deutschland sogar den Spitzenplatz einnimmt. Grund dafür ist die gute finanzielle Situation des Privatsektors und der öffentlichen Haushalte. Bei den Steuern hat Deutschland hingegen kontinuierlich an Boden verloren, weil die meisten anderen Industriestaaten nicht nur Gewinne geringer besteuern, sondern auch bei den für Familienunternehmen wichtigen Erbschaftssteuer weniger stark zugreifen oder sogar ganz darauf verzichten.

Der Bundesfinanzminister Christian Lindner scheint den Warnruf gehört zu haben, und will die Wirtschaft nun mit einer Investitionsprämie entlasten: Unternehmen, die in Energieeffizienz und Klimaschutz investieren, sollen vom Staat steuerlich gefördert werden. Und damit also nur Unternehmen, die der globalen Agenda 2030 folgen. Ob diese Maßnahme gegen die Abwanderung von Unternehmen ausreichen wird?

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