Bargeld in einem Umschlag per Einschreiben mit der Post zu senden, ist in der Schweiz keine Seltenheit. Vor allem ältere Menschen, die mit dem E-Banking nicht vertraut sind, greifen gerne auf diese Möglichkeit zurück. Wie die Konsumentenzeitschrift K-Tipp in ihrer neusten Ausgabe schreibt, wollte das auch ein 67-jähriger Zürcher so machen. Per Briefpost hatte er seiner Schwester 350 Franken geschickt. Und das ganze eingeschrieben, wie es sich gehört. Denn die Post empfiehlt auf ihrer Webseite ausdrücklich, dass man wichtige, wertvolle und terminlich relevante Sendungen in der Schweiz per Einschreiben versenden soll. Bis zu einem Wert von 500 Franken sind eingeschriebene Sendungen laut der Post versichert. Als die Schwester den Brief beim Postschalter im luzernischen Willisau abholen wollte, war er jedoch verschwunden. Ihr Bruder verlangte danach von der Post, dass sie ihm den Schaden ersetzt. Doch der Staatsbetrieb habe die Haftung abgelehnt. Der Grund dafür findet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die Post unter Ausschluss der Öffentlichkeit letztes Jahr klammheimlich geändert hatte. Der neue Passus lautet:
«Sofern nachfolgend produktspezifisch nichts anderes geregelt ist, haftet sie nicht bei höherer Gewalt, für Folgeschäden, verdorbene oder verschmutzte Waren, beschädigte Verpackungen, Bargeld und entgangenen Gewinn oder weitere Schäden, die nicht grob fahrlässig oder absichtlich verursacht worden sind.»
Auf der Webseite weist die Post auf diese wichtige Änderung jedoch nicht hin. Dort steht noch immer, dass eingeschriebene Sendungen bis 500 Franken versichert seien. Kann die Post einfach ihre Regeln ändern? Gemäß dem vom K-Tipp zitierten Professor für Zivilrecht an der Universität Bern, Frederic Krauskopf, kann sie es nicht. Er bezweifelt, dass die AGB überhaupt Vertragsbestandteil sind. Denn der Absender wurde über die Änderung gar nicht in Kenntnis gesetzt. Zudem sehe das Postgesetz vor, dass die Post ihre Haftung nur für nicht eingeschriebene Sendungen ausschließen oder beschränken kann. Das bedeute im Umkehrschluss, dass die Ablehnung der Haftung bei Einschreiben nicht möglich sei. Denn die Post schreibt ja ausdrücklich, dass sie bis 500 Franken haftet. «Da denkt man automatisch an Bargeld», findet Krauskopf. Und er fragt sich, was denn sonst mit einem Wert von bis zu 500 Franken in einen Umschlag passe, wenn nicht Bargeld.
Dem K-Tipp teilte die Post mit, dass es zeitgemäßere Wege für das Versenden von Geld gebe: Zum Beispiel mit der Bezahl-App Twint, mit der die Postfinance vom Händler 1,3 Prozent auf den Gesamtbetrag verlangt. Erst auf Tätigwerden der K-Tipp-Redaktion habe die Post dem Absender die 350 Franken schliesslich doch noch zurückerstattet.
Wie einige Zuschauer unserer Redaktion berichten, will die Post auch bei Zollgebühren, die beim Zustellen von Paketen aus dem Ausland anfallen, von Bargeld nichts mehr wissen. Die Zustellerinnen und Zusteller hätten die Annahme von Bargeld verweigert und behauptet, dass die Importkosten nur mit Twint bezahlt werden können. Laut einem Zuschauer, der bar bezahlen wollte, sei die Diskussion mit dem Boten ins Leere gelaufen, weil dieser kaum Deutsch verstanden habe und immer wieder beteuert habe, dass die Bezahlung der Zollgebühren nur noch mit Twint möglich sei.
Wir konfrontierten die Post mit den Erfahrungsberichten. Die Antwort der Mediensprecherin Jaqueline Bühlmann:
«Für die Bezahlung von Importkosten gibt es folgende Möglichkeiten:
Online über «Meine Sendungen» im Voraus, mit Barzahlung oder per Twint beim Boten.»
Laut dieser Antwort müssten Lieferboten demnach auch Bargeld annehmen. Und trotzdem wurde ein Zuschauer praktisch zur TWINT-Zahlung genötigt. Bühlmann antwortete dazu:
«Unsere Zustellerinnen und Zusteller sensibilisieren die Kundschaft und bitten sie mit Twint zu bezahlen. Aber einen Zwang gibt es nicht und die Boten nehmen auch Bargeld an.»
Der Grund für diese interne Weisung an die Boten ist einfach: Die Twint AG ist eine Tochtergesellschaft der Postfinance, die 1,3 Prozent Gebühren vom Händler einzieht. Das ist deutlich mehr als bei den neuen Debitkarten von Mastercard oder Visa, obwohl Twint nicht einmal eine Kreditkarte ist. Laut der Boulevardzeitung Blick sorgen die Wuchergebühren von Twint bei Händlern für Rote Köpfe. Während der Pandemie, wo das bargeldlose Bezahlen mit dem Vorwand der Hygiene massiv gefördert wurde, seien die Gebühren für Debitkarten allgemein um bis das 36-fache angestiegen.
Auf Anfrage vom Blick sagte die Mediensprecherin von Twint, dass sich die Lösung nur an kleine Geschäfte ohne Zahlungsterminal und mit kleinen Warenkorbgrößen richte. Doch diese Aussage stimmt nicht. Denn auch in den großen Supermärkten von Coop und Migros kann mit Twint bezahlt werden. Gemäß Blick werden diese allerdings bevorzugt behandelt und müssen im Gegensatz zu kleineren Geschäften nur die Hälfte der Gebühren bezahlen. Mit Twint verdient sich die Post also nicht nur eine goldene Nase auf Kosten von Kleinhändlern: Sie fördert damit auch die Abschaffung des Bargelds. Die meisten Kunden wissen davon allerdings nichts.