Persönliche Fotos, Liebesbotschaften oder geschäftliche Dokumente; fast alle haben sensible Daten auf ihren Smartphones gespeichert, die nur ihnen selbst gehören. Doch wenn es nach dem Willen der Thurgauer Kantonsregierung geht, soll auch die Polizei Ihr Handy durchsuchen dürfen; und das ohne jeden Tatverdacht. Wie der Bund schreibt, hat der Thurgauer Grosse Rat ein neues Polizeigesetz beschlossen. Nach diesem dürfte die Thurgauer Polizei präventiv und willkürlich in Handys, Laptops und andere elektronische Geräte schnüffeln. Auch Hotels, Restaurants und Erotikbetriebe sollen jederzeit und ohne Verdachtsmomente durchsucht werden dürfen. In Paragraph 47, Absatz 3 des geplanten Gesetzes heißt es:
«Zur Gefahrenabwehr und zur Erkennung von Vergehen und Verbrechen dürfen elektronische Geräte vor Ort in Anwesenheit der betroffenen Person eingesehen werden.»
Das wäre etwa so, wie wenn die Polizei den Briefkasten in ihrer Anwesenheit öffnen und die dortigen Briefe aus reinem Interesse einfach so lesen dürfte; Liebesbriefe, medizinische Diagnosen, vertrauliche Verträge. Nicht einmal der Verdacht von Vorbereitungshandlungen zu einer Straftat wären dafür nötig.
Die FDP hat daran keine Freude und beauftragte ein juristisches Gutachten. Die Juristen kamen zum Schluss, dass das neue Polizeigesetz nicht mit der Verfassung vereinbar wäre. Es bestehe die Gefahr, dass Beweise, die dank dem Schnüffel-Gesetz gesammelt würden, vor Gericht gar nicht zulässig wären. Mittlerweile scheinen sich die Befürworter des Polizei-Gesetzes nicht mehr wohl zu fühlen, denn am letzten Mittwoch stimmte der große Rat dafür, den Entwurf zurück in die beratende Kommission zu schicken. Dort soll noch einmal vertieft darüber nachgedacht und diskutiert werden. Hauptverantwortlich für diesen Gesetzesentwurf ist Mitte-Kantonsrat Franz Eugster, der von Persönlichkeitsrechten nicht viel zu halten scheint. Gegenüber der Zeitung Bund sagte er, ihm sei bewusst, dass das Durchsuchen von Handys ein großer Eingriff in persönliche Rechte sein könnte, aber:
«Ich denke, dass dieser gerechtfertigt ist, wenn wir dadurch mehr Sicherheit erlangen können (…) Die Polizei muss sich sowieso bei jedem Einsatz an die Verhältnismäßigkeit halten.»
Mit diesem Satz widerspricht sich Eugster gleich selbst, denn präventives Durchsuchen von Handys ohne konkreten Tatverdacht widerspricht eben genau diesem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Unterstützt wird das Gesetz auch von Cornelia Komposch von der SP, Vorsteherin des Thurgauer Justiz- und Sicherheitsdepartements. Auch ihr sei klar, dass der Paragraph in der aktuellen Form gegen Bundesgesetze verstoßen könnte. Doch dies scheint ihr egal zu sein. Sie argumentiert, dass es das Ziel der Polizei in allen Kantonen sei, präventiv handeln zu können. Offen plädiert sie für den Verfassungbruch:
«Bei dem Gesetz geht es aber um die Prävention und nicht darum, Beweise zu sammeln (...) Der Thurgau ist dabei einfach gerade in einer Vorreiterrolle.»
Eine Aussage, die von einer völligen Ahnungslosigkeit über den des Sinn des Strafprozessrechts zeugt. Der Gesetzgeber hat genau dies mit der Strafprozessordnung verhindert, indem er von der Polizei verlangt, dass sie elektronische Geräte nur einsehen oder beschlagnahmen darf, wenn dafür ein konkreter Tatverdacht und ein Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft vorliegt. Der Beschuldigte kann eine solche Untersuchung gar unterbrechen, wenn er die amtliche Siegelung beantragt. Der Zweck der Siegelung ist es, zu verhindern, dass die Polizei einfach auf Daten zugreifen kann, die wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen. Das Zeugnis darf verweigern, wer mit einer beschuldigten Person gemeinsame Kinder hat oder mit dieser verwandt ist. Über eine Entsiegelung muss schließlich ein ordentliches Gericht entscheiden. Diese Rechte sollen nun im «Vorreiterkanton» Thurgau abgeschafft werden. Die Bürgerrechtsbewegung Mass-Voll! kündigte bereits das Referendum gegen das Gesetz an, falls es in dieser oder einer ähnlichen Form doch noch angenommen würde.
Ebenso unverhältnismäßig und verfassungswidrig ist das PMT, das Gesetz über polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus, das Mitte Juni 2021 von der Schweizer Stimmbevölkerung sonderbarerweise angenommen wurde. Nach diesem können Personen schon als Gefährder eingestuft werden, wenn sie Anstalten dazu machen, die Staatsordnung verändern zu wollen. Die Bundespolizei kann seit dem 1. Juni 2022 ohne richterlichen Beschluss willfährig Hausarrest von bis zu neun Monaten anordnen; und dies sogar gegen Minderjährige. Das PMT wurde von Amnesty International, von Menschenrechtsexperten der UNO und des Europarates scharf kritisiert. Doch die Landesführung kümmert dies wenig. Bisher ist noch kein Fall bekannt, wo jemand wegen dem Terrorgesetz in Arrest versetzt wurde. Vielleicht sind die Willkür-Gesetze als totalitäre Vorbereitungshandlung für eine pandemische Zukunft gedacht?