Das Schweizer Nachrichtenportal Nau.ch etwa schrieb kürzlich, „für einen vollständigen HPV-Impfschutz" brauche "man vor allem: den zweiten Piks“. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht inzwischen nicht mehr ganz so weit und meint seit 2022, Mädchen und Frauen unter 21 Jahren seien auch mit einer Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs „gut geschützt“. Doch ob ein Piks oder zwei, Christian Fiala, Facharzt für Frauenheilkunde und seit 20 Jahren ärztlicher Leiter des Gynmed-Ambulatoriums in Wien, rät von beiden vehement ab.
Nicht nur sei Gebärmutterhalskrebs in Industrieländern wie Deutschland und Österreich in den vergangenen Jahrzehnten «massiv zurückgegangen, und zwar ohne dass es die Impfung gegeben hat». Auch ergebe die Virus-Hypothese zu dieser Krebsart aus verschiedenen Gründen keinerlei Sinn. HOCH2 hat den 63-jährigen promovierten Arzt gefragt, auf welchen Beweisen seine Kritik ruht, wie er mit Frauen, Mädchen und auch Jungen umgeht, die zu ihm kommen und aus welchen Gründen auch immer und die Impfung wünschen – und welchen Sinn in diesem Zusammenhang präventive Maßnahmen wie der PAP-Abstrich und die Hinwendung zu einem gesunden Lebensstils machen.
HOCH2: Hallo Christian, herzlich willkommen. Im Herbst vergangenen Jahres hast du in Kopenhagen bei einem Vortrag zum Thema HPV-Impfung eine Grafik gezeigt, die die Überschrift trägt «Infektionskrankheiten sind seit dem Jahr 1900 deutlich zurückgegangen: ein Sieg». Wieso diese Grafik?
Christian Fiala: Das Leben allgemein auf dieser Welt hat sich ja massiv verbessert, und zwar in einem Ausmaß, das über den Großteil der Menschheitsgeschichte vollkommen undenkbar war. Wir müssen ein besonderes Augenmerk auf die Ursachen oder Hintergründe für diese unglaublich positive Entwicklung in der Menschheitsgeschichte richten. Hierin liegt auch der Grund, warum ich Arzt und Wissenschaftler geworden bin. Als ein solcher möchte ich dazu beitragen, dass wir diese Entwicklung bewahren und sie nach Möglichkeit weiterentwickeln.
Aber noch mal ganz konkret: Warum hast du diese Grafik, aus der etwa hervorgeht, dass die Polio-Impfung – in der Grafik als «Salk Vaccine» bezeichnet – erst eingeführt wurde, nachdem die Infektionskrankheiten schon weitgehend zurückgedrängt waren, bei einem Vortrag über Gebärmutterhalskrebsimpfung, auch HPV-Impfung genannt, präsentiert?
Es gibt einen Spruch, der lautet: Man muss die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart verstehen zu und die Zukunft planen zu können. Das ist für mich ein Leitspruch im Leben. Ich habe in sogenannten Entwicklungsländern, also in Ländern mit einem sehr niedrigen wirtschaftlichen und Lebensniveau, gelebt und gearbeitet. Dort herrschen noch Bedingungen, wie sie bei uns früher vorzufinden waren. Wenn man sich dies vergegenwärtigt, dann erkennt man, dass das Lebensniveau in den vergangenen 100 Jahren nicht im Wesentlichen durch medikamentöse Interventionen so deutlich angestiegen ist, sondern durch verbesserte Hygiene, Ernährung und Wohnsituationen. Dies sind die drei wesentlichen Kriterien, die eine fundamentale Veränderung für das menschliche Leben auf diesem Planeten bewirkt haben. Und wenn man in Gegenden geht, in denen man eben immer noch Verhältnisse vorfindet, wie sie bei uns vor 100 oder 200 Jahren existierten, dann sieht man, in welchem Ausmaß Faktoren jenseits der modernen Medizin wichtig sind.
Erst nachdem diese drei wesentlichen Faktoren ihre Wirkung getan und das Leben deutlich verbessert haben, ja das Leiden auf dieser Welt deutlich reduziert haben, ist die moderne Medizin gekommen und es hat entsprechende Interventionen gegeben. Diese haben teilweise eine zusätzliche Verbesserung gebracht, aber teilweise sogar auch keine Verbesserung oder teilweise auch eine Verschlechterung.
Weltweit ist der Gebärmutterhalskrebs aber die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Und manche sagen sogar, dass eine Infektion mit dem Humanen Papillomvirus, kurz HPV, nicht nur die Hauptursache für diese Krebsart darstellt, sondern diese 100 Prozent bedingt. Spricht das nicht für die HPV-Impfung?
Da muss man jetzt ganz genau hinschauen. Wie erläutert, haben wir auf der Welt generell in den vergangenen 100 Jahren Krankheit an sich in einem unglaublichen Ausmaß reduziert. Die Menschen sind heutzutage so wenig krank, wie wir es während der ganzen Menschheitsgeschichte nicht gesehen haben. Und eine der wenigen Gesundheitsprobleme, die wir heute noch haben, sind Malignome, also Krebserkrankungen. Die können wir nicht wirklich behandeln. Wir können hier vorbeugen, indem wir zum Beispiel keine Zigaretten rauchen. Das gilt auch für den Gebärmutterhalskrebs. Aber darüber hinaus können wir sehr wenig tun.
Es gab zwar immer schon diesen Traum der Menschheit, man könne eine Ursache für Krebs finden, möglicherweise einen infektiöse Ursache, einen Virus oder einen Erreger – und wenn wir diesen Erreger bekämpfen, dann haben wir weniger Krebs. Doch dieser Traum hat sich nicht bewahrheitet. Es gibt bis heute keinen glaubhaften Hinweis dafür, dass Krebs durch Viren oder eine Infektion verursacht wird. Und alle Versuche, Krebs über einen Angriff auf ein Virus den Garaus zu machen, haben nicht zu einer brauchbaren Therapie oder zu sinnstiftenden präventiven Maßnahmen geführt.
Das komplette Interview mit Christian Fiala, geführt von HOCH2-Redaktor Torsten Engelbrecht, ist weiter oben auf dieser Seite verlinkt.
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Über Christian Fiala: Der 63-jährige promovieretArzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ausgebildet in Tropenmedizin und Wissenschaftler sowie seit 20 Jahren ärztlicher Leiter des Gynmed-Ambulatoriums in Wien.