Der Wahrheit verpflichtet
28. Juli 2023 - Stephan Seiler

Digitaler Impfpass trotz Sicherheitsmängel

Stephan Seiler
Der erste Versuch eines digitalen Impfpasses in der Schweiz endete in einem Desaster. Trotzdem wollen Bund und Kantone das unbeliebte Projekt in Rekordzeit durchdrücken.
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News vom 28. Juli 2023

Bund und Kantone wollen das digitale Impfbüchlein trotz massiven Datenschutz-und Sicherheitsmängeln durchdrücken. Im kompletten Alleingang setzt der Kanton Bern auf das fragwürdige «VacMe-Modell» aus der Pandemie.

Das erste Projekt des elektronischen Impfbüchleins der privaten Stiftung «meineimpfungen.ch» endete in einem Desaster. Im Frühling 2021 wurden schwerwiegende Datenschutz- und Sicherheitsmängel bekannt. Daraufhin wurde die Plattform vom Netz genommen und der Datenschutzbeauftragte leitete ein Verfahren ein.

Nach dem Konkurs der Stiftung sind nun mehr als fünf Millionen medizinische Datensätze von Menschen in der ganzen Schweiz gefährdet und drohen vernichtet zu werden, heißt es auf der Webseite von meineimpfungen.ch.
Die Aufsichtspflicht über dieses Projekt hätte beim Bundesamt für Gesundheit BAG gelegen, doch dieses fühle sich nicht zuständig. Laut einem Bericht des Nationalrates war die Kontrolle der Stiftung von Schlamperei und Versäumnissen geprägt. Trotz diesen ernüchternden Erfahrungen soll das Impfbüchlein nach dem Willen des Noch-Gesundheitsministers Alain Berset für die ganze Schweiz noch in diesem Jahr digital werden. Und dies, während man angeblich noch immer verzweifelt versucht, die offenbar verloren gegangenen Daten zu retten. Laut dem Schweizer Fernsehen SRF soll dies bis im Herbst geschehen sein und die Daten sollen in das geplante elektronische Patientendossier EPD übertragen werden. Wie wir in unserer Sendung vom 30. Juni berichteten, befürwortet, mit Ausnahme der Bundesregierung, kaum jemand die digitalen Krankenakten. Was von der Bevölkerung nicht gewollt ist, soll nun aber dennoch gesetzlich verankert werden.

Nur bis Ende Jahr hätten die Anbieter Zeit, den elektronischen Impfausweis einzubauen. Wie schon bei der Pandemie, täuscht man damit Dringlichkeit vor. Um die Gesundheitsdaten in Zukunft digital zu machen, gründete der Bund das sogenannte «Kompetenzzentrum eHealth Suisse». Wie SRF schreibt, habe sich bisher noch keine Stammgemeinschaft durchringen können, um den elektronischen Impfausweis zu implementieren.

Der Kanton Bern presche mit dem Impfportal «VacMe» nun im Alleingang vor. Die Plattform diente dem Kanton schon beim Covid-Zertifikat zur Sammlung von Impfdaten. Die Berner Gesundheitsdirektion hoffe, dass sich auch andere Kantone dafür interessieren, auch wenn die Daten laut Angaben derzeit nur in Form einer PDF-Datei übertragen werden können. Moderner als eine Übermittlung mit dem Fax-Gerät ist das allemal. Doch gemäß der Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK ist die steinzeitliche Lösung mit dem elektronischen System für das Patientendossier nicht kompatibel. Indem der Kanton Bern auf eine derart verstaubte Lösung setzt, könnte sich die Einführung des elektronischen Impfbüchleins noch weiter verzögern – was wohl ganz im Sinne der Mehrheit ist und Kritikern mehr Zeit verschafft, sich effektiv gegen die Digitalisierung der Gesundheitsdaten einzusetzen.

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