Der Wahrheit verpflichtet
19. April 2023 - Barbara Hagmann

Ein Tattoo für eine Niere oder Herz

Barbara Hagmann
Ein Tattoo als Willensäußerung? In Deutschland kursiert derzeit die Idee, die Bereitschaft zur Organspende tätowieren zu lassen. Wird das gestochene Symbol im Ernstfall überhaupt berücksichtigt?
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News vom 19. April 2023

Ein Tattoo soll nun Leben retten. In Deutschland wird derzeit mit der Kampagne «Get inked, give life» für die Organspende geworben. Der Verein Junge Helden aus München will die Organspende mit einem Tattoo revolutionieren. Mittels speziell dafür entworfenen Symbolen soll die Bereitschaft zur Organentnahme signalisiert werden.

Die Tätowierung ist jedoch nur eine Willenserklärung. Im Ernstfall entscheiden die Angehörigen, ob Organe entnommen werden dürfen. Es braucht also einen ausdrücklichen Nachweis der Zustimmung. Es ist nicht der erste Versuch in Deutschland, ein tätowiertes Symbol für die Organspende zu etablieren. Auf der Webseite Organspende-Symbol.de will man ebenfalls mit einem Symbol zur Spende animieren.

In der Schweiz hat das Stimmvolk im vergangenen Jahr über ein neues Transplantationsgesetz entschieden. Ab 2025 sind alle Schweizer Bürger ab 16 Jahren automatisch Organspender, wenn sie dies nicht ausdrücklich ablehnen. Auch wenn sich die Regelung in der Schweiz ändern wird, haben wir bei Franz Immer, dem Direktor von Swisstransplant, nachgefragt, wie sinnvoll ein Tattoo als Willensäußerung für die Organspende ist:

«Diese Idee ist bereits bekannt und kommt auch bei den Reanimationsmaßnahmen zur Anwendung. Wenn jemand sich so klar festlegt, dass er spenden möchte, beziehungsweise nicht spenden möchte, ist diese Tätowierung sicher ein sehr probates Mittel, dass der Wunsch bekannt ist, wenn die Frage im Raum steht. Es wäre aber sicherlich wünschenswert, dass die Willensäußerung einfacher über ein Register erfolgt und somit auch jederzeit abrufbar ist.»

Und wie sieht es rechtlich aus? Ist ein Tattoo in der Schweiz für Notfallärzte verbindlich, wenn es zur Reanimation kommt? Auf der Webseite law.ch ist die tätowierte Willensäußerung wie folgt erläutert:

«Gemäss ZGB 371 Abs. 1 ist die Patientenverfügung schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen. Erfüllt der Verfasser der Patientenverfügung bei der «Tattoo-Errichtung» diese Voraussetzungen, erscheint auch eine «Niederschrift» auf dem eigenen Körper als zulässig. Ärzte werden solche Tattoos vorsichtshalber wohl als Indiz für eine bestehende Patientenverfügung werten und doch noch weitere Abklärungen treffen, ob nicht doch eine solche noch in traditioneller Form aufbewahrt ist (...)»

Das Tattoo für den Ernstfall ist also nichts Neues. Bereits 2017 entflammte die Debatte, ob eine Tätowierung als Patientenverfügung ausreichen würde. Grund dafür war der Fall eines 70-jährigen Mannes, der bewusstlos und mit Vorhofflimmern in ein Krankenhaus in Miami eingeliefert wurde. Auf seiner Brust war «Do Not Resuscitate» – also «nicht wiederbeleben» – tätowiert. Der Fall sorgte weltweit für Aufsehen. Das Krankenhauspersonal stand vor einem ethischen und rechtlichen Dilemma. Wie die Fachzeitschrift New England Journal of Medicine schrieb, führten die Ärzte eine Wiederbelebung durch. Erst im Nachhinein erkannten die Ethik- und Rechtsexperten des Krankenhauses das Tattoo als wirksame Patientenverfügung an. Zu einem späteren Zeitpunkt tauchte zudem eine schriftliche Patientenverfügung auf. Als sich der Zustand des Patienten dann wiederum verschlechterte, wurden keine medizinischen Maßnahmen mehr vorgenommen.

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