An das Self-Scanning haben sich Kunden beim Einkaufen im Lebensmittelgeschäft längst gewöhnt. Solange es die Möglichkeit gibt, mit Bargeld an der Kasse zu zahlen, stößt das System auf wenig Protest. Doch immer mehr Geschäfte schaffen das Kassenpersonal ganz ab und setzen auf Einkauf-Apps und digitales Geld. So auch der Lebensmittelhändler Aldi, was in London jüngst für Aufruhr sorgte. Die Filiale «Shop&Go» im Stadtviertel Greenwich spaltet die Kunden. Denn wer im Laden einkaufen will, muss zuerst eine QR-Code-Schranke passieren.
Derzeit kursiert in den sozialen Netzwerken ein Video eines unzufriedenen Kunden, der das digitale Zwangserlebnis alles andere als goutiert. Der Shop hat sich also zum «Scan&Go»-System gewandelt, was heißt, dass der Kunde sogar einen QR-Code benötigt, um überhaupt in den Laden zu kommen. Wer weder Smartphone noch digitales Bezahlsystem besitzt, ist nicht willkommen.
Auf das Video folgten unterschiedliche Reaktionen. Während die einen zum Boykott der Filiale aufriefen, freuten sich andere über das neue Einkaufskonzept. Doch gerade für ältere Menschen, die gerne mal mit dem Kassenpersonal ein paar nette Worte wechseln und Bargeld auf den Tresen legen, dürfte die digitale Schranke ein Problem sein.
Doch was in London aktuell für Empörung sorgt, zeichnet sich schon länger ab. Das «Scan&Go»-System von Aldi kommt auch in anderen Geschäften zum Einsatz, wie etwa im niederländischen Ort Berkel-Enschot. Auch dort scannen die Kunden ihren Einkauf mit dem Smartphone und zahlen per Online-Bezahlsystem. Bargeld ist nicht mehr gefragt. Ein weiteres Digitalisierungsprojekt ist die kontaktlose Filiale im niederländischen Utrecht. Bei der Eröffnung im Sommer 2022 bestätigte Sinanudin Omerhodzic, CTO bei ALDI, dass ein QR-Code nötig sei, um sich fürs Einkaufen zu registrieren – oder besser gesagt – zu qualifizieren:
«Als Kunde lädt man sich eine entsprechende App runter, bei der man sich registriert und mit seinen Kreditdaten verlinkt, sodass man auch die entsprechende Zahlung tätigen kann. Und dann, wenn man direkt im Shop vor Ort ist, startet man die App und macht sich über den QR-Code erkenntlich, damit man Zugang zur Filiale erhält. Sobald man das getan hat, öffnet sich die Schranke und man kann ganz normal in den Shop reingehen.»
Was in London für schlechte Stimmung sorgt, wurde in der Schweiz von Aldi-Süd bereits im Sommer 2021 eingeführt. Der Bezahlservice «Scan&Go» ist in 17 Testfilialen in der Nordwestschweiz im Einsatz. Der Schweizer Detailhandel gilt beim Self-Scanning europaweit als Vorreiter. Bereits 2011 führte die Migros ein entsprechendes System ein. 2020 erweiterte das Unternehmen das Self-Scanning mit «SubitoGo». Damit können Kunden die gewünschten Produkte mit ihrem Smartphone selbst scannen und im Anschluss auch gleich per Kreditkarte oder Twint bezahlen, ohne dass der Gang zur Kasse nötig wäre. Beim Konkurrenten Coop kann man mit «Passabene» seit Ende 2019 das Handy als Scanner benutzen.
Auch das Strassenverkehrsamt St. Gallen hält nichts von Bargeld. In den Prüfstellen Kaltbrunn, Mels, Buriet und Oberbüren kann schon seit 2022 nicht mehr bar bezahlt werden. Ein aufmerksamer Zuschauer machte uns darauf aufmerksam. Auf unsere Anfrage hin behauptet der Amtsleiter Hanspeter Sigg, der Verzicht auf Bargeld diene der Sicherheit des Personals und verursache weniger Kosten. Zudem haben man sich wegen der schlechten Zahlungsmoral gegen die Annahme von Bargeld entschieden. Diese Argumente halten einer näheren Prüfung jedoch nicht stand. Es ist nicht bekannt, dass jemals eine Zahlstelle des Strassenverkehrsamtes überfallen wurde. Zudem können Sofortzahlungen ebenso gut mit Bargeld geleistet werden. Sigg verwendet auch die von Behörden gern zitierten Worte des Bundesrates, der in einer Fragestunde behauptete, es handle sich bei der Annahmepflicht von Bargeld um dispositives Recht. Dispositivrecht verlangt hingegen die Einwilligung beider Parteien. Eine Wahl haben Besitzer von Motorfahrzeugen nicht. Sie müssen ihre Fahrzeuge einlösen, ob sie wollen oder nicht.
Gesetzescharakter hat die Antwort des Bundesrates ebenso nicht, auch wenn Behörden gerne und irreführend einen anderen Eindruck vermitteln und so tun, als lebten wir in einer konstitutionellen Bundesrats-Monarchie. Vielmehr Rechtsgültigkeit hat hingegen das Bundesgesetz über die Währung und Zahlungsmittel WZG, das nach wie vor eine ausdrückliche Annahmepflicht von Münzen und Banknoten verlangt.
Gegen die Digitalisierung wäre nichts einzuwenden, solange gewährleistet ist, dass Bargeld überall akzeptiert, und dem Kunden die Wahl gelassen wird, wann und wo er digitale Spuren – oder eben keine – hinterlassen will.
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Auch das StVA LU hält nichts von Bargeld, notabene nicht mal von digitaler Sofortzahlung. Meine Tochter absolvierte Ende April die Theorieprüfung. Anfang Mai kam eine Papierrechnung, auf der nebst der Theorieprüfung (Sfr. 30),des Lernfahrausweises (Sfr. 50) auch ein Posten 'Gebühr für Papierrechnung' im Betrage von Sfr. 1.50 zu finden ist. Meine Tochter wurde nicht gefragt, ob Sofortzahlung, Bar, digital oder Rechnung gewünscht wird. Statt dessen steht auf der Papierrechnung: Wechseln Sie auf E-Rechnung!