Das vorliegende Interview wurde als Spende für HOCH2 von D. G. verschriftlicht, leicht gekürzt und gestrafft. Das gesamte Interview in Videoform können Sie HIER anschauen.
Philipp Gut:
Liebe Zuschauer, ich begrüße Sie ganz herzlich zum Polit-Talk auf Hoch2.TV. Per Zoom zugeschaltet ist Ernst Wolf, Kenner der Wirtschaft und erfolgreicher Autor. Herr Wolff, man kennt Sie aus verschiedenen Medien, auch in sozialen Medien sind Sie sehr aktiv. Schön, dass Sie bei uns sind.
Ernst Wolff:
Ja, vielen Dank für die Einladung.
Philipp Gut:
Gerne. Sie werden je nach Quelle als leuchtender Held der Freiheit beschrieben oder als finsterer Verschwörungstheoretiker. Was machen solche Zuschreibungen mit Ihnen? Kümmert Sie das überhaupt?
Ernst Wolff:
Eigentlich nicht. Das lasse ich inzwischen an mir abprallen. Ich habe ja eine etwas ungewöhnliche Vita. Ich bin schon als junger Mensch einmal aus den USA ausgewiesen worden. Damals, als ich mich gegen den Vietnamkrieg ausgesprochen habe. Und deswegen bin ich Gegenwind gewohnt. Also das stört mich nicht besonders.
Philipp Gut:
Steigen wir gleich in Ihre Biografie ein, um Sie noch ein bisschen näher kennenzulernen. Sie haben wirklich eine spannende Biografie. Sie sind in China geboren, wie kam es dazu?
Ernst Wolff:
Meine Eltern sind auch in China geboren. Meine Großeltern sind um die vorletzte Jahrhundertwende nach China ausgewandert. Ich bin der Letzte, der in China geboren ist und dies kurz nach der Revolution. Unsere Familie wurde damals enteignet und musste das Land verlassen.
Also mein Leben hat schon in den ersten zwei Monaten sehr turbulent begonnen.
Philipp Gut:
Dann sind Sie nach Südkorea weitergezogen. Ist das richtig?
Ernst Wolff:
Ja, genau. Ich bin bis zu meinem achten Lebensjahr in Seoul, der südkoreanischen Hauptstadt, aufgewachsen.
Philipp Gut:
Und was haben Sie von dieser ostasiatischen Kultur mitgenommen?
Ernst Wolff:
Eigentlich recht wenig, ehrlich gesagt. Wir haben in Seoul im amerikanischen Viertel gewohnt und ich bin da mehr oder weniger unter amerikanischen Verhältnissen sozialisiert worden. Mit der koreanischen Bevölkerung hatte ich als Kind sehr wenig zu tun.
Philipp Gut:
Zurück zu China. Sie waren damals ein Baby und haben keinerlei Erinnerungen mehr, nehme ich an, aber ihre Vorfahren haben einiges über China erzählt. Was wurde in der Familientradition von diesem alten China mit der Revolution der Kommunisten überliefert? Sie haben ihren dramatischen Lebensbeginn geschildert. Welche Einblicke sind Ihnen geblieben?
Ernst Wolff:
Ja, ich habe einiges mitbekommen, weil meine Eltern natürlich fließend Chinesisch sprechen konnten. Mein Vater kannte 2000 kalligrafische Zeichen der chinesischen Sprache und hat sich immer damit beschäftigt. Auch meine Mutter beschäftigte sich mit der chinesischen Kultur. Da habe ich schon einiges mitbekommen. Vielleicht hat mir das tatsächlich ein bisschen Ruhe im Leben verschafft.
Philipp Gut:
Und welche Werte sind es, die Sie aus der chinesischen Kultur direkt oder indirekt vermittelt bekommen haben?
Ernst Wolff:
Ich denke, ganz wichtig sind so die Grundsätze des Taoismus, also dass man seine Ruhe bewahren soll. Wir leben im Moment in ganz turbulenten und schwierigen Zeiten und ich glaube, dass es sehr wichtig ist, die Ruhe zu bewahren und nicht immer gleich auszuticken, gerade wenn alle anderen um einen herum austicken.
Philipp Gut:
Danach sind Sie nach Deutschland gekommen, haben dort Abitur gemacht und anschließend in den USA studiert. Beschreiben Sie uns doch ein bisschen, wie Sie den Unterschied der beiden Länder damals, die Bundesrepublik der 1960er-Jahre und im Vergleich dazu die USA wahrgenommen haben.
Ernst Wolff:
Ja, das war schon eine ganz interessante Zeit, nämlich die Zeit des Vietnamkrieges. Ich bin 1969 an die amerikanische Ostküste gegangen und habe da an einem der Elite-Colleges studieren dürfen. Ich hatte großes Glück. Ich war ein relativ guter Fußballer damals und bekam ein Fussballstipendium. Das war die Zeit, als die Amerikaner europäische und südamerikanische Fußballer gesucht haben, als Beckenbauer und Pelé zu Kosmos New York gegangen sind. Für mich war das eine recht schöne Zeit damals, obwohl die politischen Verhältnisse nicht besonders gut waren. In Amerika herrschte die große Nixon-Ära und es war eine der Gipfelpunkte des Vietnamkrieges. Das hat dann leider auch dazu geführt, dass ich des Landes verwiesen wurde. Ich hatte mehrere Artikel gegen den Vietnamkrieg geschrieben und Vorträge gegen den Vietnamkrieg gehalten und dann habe ich einen Brief vom FBI bekommen, ich möge doch bitte das Land verlassen.
Philipp Gut:
Hat man Ihnen konkret etwas vorgeworfen? Gab es eine Untersuchung oder etwas auf der justiziellen Ebene? Oder war es einfach ein Druckmittel direkt vom FBI, dem Geheimdienst?
Ernst Wolff:
Das war ganz einfach ein Druckmittel. Die älteren Menschen werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass damals große Proteste in den Colleges, den Universitäten stattgefunden haben, dass auch die National Guard und die Polizei eingerückt ist, dass es sogar Tote gegeben hat. Das Semester wurde dann landesweit abgebrochen und eines der Opfer war dann ich. Ich habe diesen Brief von der Bundespolizei FBI bekommen, ich müsse innerhalb von drei Wochen das Land verlassen, keine Begründung und gar nichts.
Philipp Gut:
Hätte es auch eine Rekurs-Möglichkeit gegeben oder gab es das nicht für Ausländer wie Sie?
Ernst Wolff:
Unter den damaligen Bedingungen war das absolut ausgeschlossen. Es gab keine Antwort. Ich habe natürlich versucht, Kontakt zu den einschlägigen Behörden aufzunehmen, aber es gab überhaupt keine Reaktion. Und dann habe ich gedacht, es sei besser, das Land zu verlassen und irgendwo anders Fuß zu fassen.
Philipp Gut:
Sie sind nach Deutschland zurückgegangen.
Ernst Wolff:
Ganz genau.
Philipp Gut:
In den 1980er-Jahren waren Sie offenbar zu Beginn auch bei den Grünen dabei gewesen. Was war da die Motivlage, die Sie dazu bewogen hat?
Ernst Wolff:
Nein, ich war nie bei den Grünen, aber ich hatte schon von Anfang an gewisse Sympathien für die Grünen gehabt. Ganz einfach deswegen, weil mir klar war, dass der ökologische Zustand der Welt nicht besonders gut ist. Aber leider muss ich sagen, dass die Grünen inzwischen ziemlich die übelste Partei sind, die man in der Politik sehen kann. Ich erinnere mich daran, dass sich die deutschen Grünen bei der letzten Bundestagswahl vor drei Jahren mit einem Plakat haben wählen lassen, auf dem stand: keine Waffenlieferungen in Krisengebiete! Inzwischen bauen die Grünen, also unser grüner Wirtschaftsminister, in Krisengebieten sogar Waffenfirmen auf und geben Garantien. Während des Serbien Krieges haben sich die Grünen auch als Pazifisten ausgegeben. Aber in Wirklichkeit waren sie genau das Gegenteil. Also verlogener kann man Politik nicht mehr betreiben. Deswegen habe ich mit diesem Kapitel meines Lebens auch schon lange abgeschlossen.
Philipp Gut:
Welche Erklärung haben Sie dafür, dass die Grünen in einer so kurzen Zeit die Wende vom Pazifismus zum Bellizismus, also zur Kriegstreiberei, etwas zugespitzt formuliert, vollzogen haben?
Ernst Wolff:
Also für mich sind die Grünen einfach das, was Lenin einmal «nützliche Idioten» genannt hat. Die Agenda, die wir erleben, mit all diesen gesundheitlichen Einschränkungen während der Coronazeit und aktuell, wo sich alles ums Klima dreht, da passen die Grünen ganz gut ins Bild mit ihrer ökologisch grünen Vergangenheit. Die Grünen sind heute nichts anderes als die rechte Hand von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der USA. Man muss sehen, dass der deutsche Wirtschaftsminister, der von Wirtschaft offensichtlich nicht den geringsten Schimmer hat, sich von einer parlamentarischen Staatssekretärin, die direkt aus den Reihen von BlackRock kommt, beraten lässt. Diese hat bei BlackRock auch ein bahnbrechendes Papier für die nächsten Jahre mitgeschrieben. Die Grünen sind meiner Meinung nach heute, nach einer unglaublichen, politischen Kehrtwende, das Instrument der mächtigsten Finanzorganisation der Welt.
Philipp Gut:
Ich komme später gerne noch auf BlackRock und andere Themen zurück, die Sie stark beschäftigt haben, über die Sie auch Bücher geschrieben haben.
Bleiben wir vorerst beim Politbetrieb, bevor wir noch ein bisschen in die Wirtschaft und Finanzwelt eintauchen. Ich möchte kurz ein Zitat von Ihnen zur EU erwähnen. Sie haben gesagt: «Die EU trifft ihre Entscheidungen in diktatorischer Weise. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Die Wahlen dienen dazu, den Leuten Sand in die Augen zu streuen und sie glauben zu lassen, dass der Parlamentarismus noch funktioniert. Obwohl er schon längst tot ist.» Das kann man natürlich als Kritik an den Zuständen auffassen und so verstehen, dass Sie sagen, man sollte den Parlamentarismus wieder stärken. Oder steht da auch aus ihrer Sicht eine gewisse Ablehnung dahinter, dass Sie sagen, dass das ein falsches, politisches System ist? Wie muss man Ihr Zitat interpretieren?
Ernst Wolff:
Ja, das politische System ist ja gekapert worden von Kräften außerhalb des Parlaments. Uns allen wird immer noch vorgegaukelt, wir gehen zur Wahl, wir bestimmen die Leute, die unser Leben dann in die eine oder andere Richtung führen. Aber in Wirklichkeit haben die Parlamente heute ja so gut wie gar keine Macht mehr. Die wirkliche Macht im Hintergrund ist der digital-finanzielle Komplex. Auf der einen Seite ist dieser große Finanzkonzern BlackRock und Co. und auf der anderen Seite sind die großen IT-Konzerne im Silicon Valley. Das ist die Macht, die in der Welt praktisch die Eckpfeiler setzt, innerhalb derer die Politik noch agieren darf. Natürlich bin ich nicht dagegen, dass man Vertreter wählt. Wir haben acht Milliarden Menschen auf der Welt. Und es ist einfach unmöglich, unter anarchischen Zuständen zu leben. Aber man muss sagen, dass die Parlamente so wie sie jetzt im Moment funktionieren, nicht das repräsentieren, was die Menschen wollen.
Für mich hat das auch einen ganz bestimmten Grund. Die Verfassungen weltweit enthalten nicht die beiden wirklich wichtigsten Herrschaftsinstrumente unserer Zeit. Die wichtigsten Herrschaftsinstrumente unserer Zeit sind einerseits das Geld, und andererseits die Daten. Beide kommen in den Verfassungen nicht vor. Ich denke, wir müssten weltweit eine ganz große Wende vollziehen und in die Verfassungen eine Machtbegrenzung für Geld und Daten integrieren.
Philipp Gut:
Ja, ein sehr spannender Punkt. Ich komme auf Ihr Kernthema der Finanzen und diese Mächteorganisationen zurück. Was schlagen Sie da vor? Die Schweiz ist ja eine Art Gegenmodell zu dieser Konzentration der EU. Aktuell haben wir gehört, die Schweiz verhandelt wieder mit der EU über einen sogenannten Rahmenvertrag. Die EU hat sich kürzlich dazu geäußert und gesagt, sie gehe auf keinen Kompromiss der Schweiz ein. Es kam relativ deutlich heraus, dass man gar keine Freude an der direkten Demokratie hat. Dies stehe, so konnte man es im grössten Schweizer Boulevardblatt «Blick» lesen, den Interessen der 27 EU-Staaten entgegen. Also hier existiert eine Systemkonkurrenz, die man weghaben will. Was könnte denn diese EU, Daten und Finanzströme einmal ausgeklammert, wieder bürgerfreundlicher und demokratischer machen, und näher an die Basis bringen?
Ernst Wolff:
Man müsste die gesamten Machtverhältnisse in der Welt verändern, weil die EU auch von diesem digital-finanziellen Komplex gesteuert wird. Und dieser digital-finanzielle Komplex hat auch in der Schweiz seine Folgen. In der Schweiz gibt es eine unglaubliche Konzentration gerade im Bankenwesen. Und die letzten Meldungen aus der Schweiz sind ja auch nicht besonders erfreulich. Dass die AHV der Schweiz als Depotbank nicht mehr die UBS nimmt, sondern State Street, den drittgrößten Vermögensverwalter der Welt, zeigt auch, dass die Schweiz nicht mehr eine Insel der Glückseligkeit ist.
Philipp Gut:
Ja, das ist natürlich ein Problem. Da sind momentan 40 Milliarden drin. Der Fonds wird, wie Sie gesagt haben, in den USA von State Street verwaltet. Bis 2030 rechnen wir mit 67 Milliarden in diesem Fonds, ein gigantisches Vermögen. Jetzt frage ich mich als einfacher Bürger: welches Druckmittel ist hier im Spiel?
Ernst Wolff:
State Street hat damit die Schweiz zu einem großen Teil wirklich in der Hand. Man kann so tatsächlich erpressen und wir wissen ja, dass das Weltfinanzsystem im Moment in ganz großen Schwierigkeiten ist und wir erwarten alle die Einführung von digitalen Zentralbankwährungen. Wir wissen auch, dass im Moment der Schuldenstand weltweit bei ungefähr 315 Billionen US-Dollar liegt, also Staatsschulden, Unternehmensschulden und Haushaltsschulden zusammengenommen. Diese Schulden werden niemals zurückbezahlt werden können. Wir müssen damit rechnen, dass es in den nächsten Jahren einerseits zu einer Währungsreform kommt und andererseits zu der Einführung von neuem digitalem Zentralbankgeld. Und was dann passieren wird, das kann keiner im Moment voraussagen, aber das ist eine absolut unsichere Zukunft. Und in dieser unsicheren Zukunft, das eigene Schicksal in die Hand eines Vermögensverwalters von der Wall Street zu legen, halte ich für keine besonders gute Idee.
Philipp Gut:
Sie haben es mehrfach angesprochen, dieses neue digitale Zentralbankengeld, CBDC auf Englisch. Können Sie kurz erklären, was das genau ist?
Ernst Wolff:
Ja, das Ziel bei dieser neuen Währung ist, dass jeder von uns weltweit nur noch ein einziges Konto haben soll, und zwar bei der Zentralbank. Bisher ist es ja so, dass man bei mehreren Geschäftsbanken Konten haben kann. Das Finanzsystem, so wie es bisher bestanden hat, ist in den letzten Jahren nur noch künstlich am Leben erhalten worden. Und da gibt es für die Zentralbanken nur zwei Möglichkeiten. Sie können neues Geld schaffen und dieses Geld zu immer niedrigeren Zinsen vergeben. Leider sind sie bei den Zinsen irgendwann bei Null angekommen und deswegen geht es nicht weiter, weil mit Negativzinsen das Weltfinanzsystem auf Dauer nicht leben kann. Beim digitalen Zentralbankgeld wäre das anders. Da könnte man tatsächlich auch mit Negativzinsen leben, aber dieses neue Geld wird auf gar keinen Fall auf Dauer funktionieren können. Das wird in einer Spirale der Hyperinflation enden. Außerdem bedeutet es für jeden, dass seine sämtlichen Transaktionen von der Zentralbank überwacht werden kann, dass er jederzeit von allen Finanzflüssen abgeschnitten werden kann, dass man ihm individuelle Steuer- und Zinssätze diktieren und man ihn an ein Sozialkreditsystem anschließen kann. Also das sind alles wirklich keine guten Aussichten. Zudem muss man auch noch berücksichtigen, dass die wichtigsten Zentralbanken der Welt sich heute fest in der Hand von BlackRock befinden, weil die alle an das Zentralbank angeschlossen sind. Die Finanzdaten-Plattform von BlackRock heißt Aladdin.
Da läuft alles darüber, die beziehen ihre Informationen darüber und die machen Planspiele damit. Also BlackRock, muss man sagen, hat die großen Zentralbanken der Welt inzwischen in der Hand. Mr. Larry Fink (CEO von BlackRock – Anm. der Redaktion) ist meiner Meinung nach im Finanzsystem der mächtigste Mann, den es jemals gegeben hat.
Philipp Gut:
Wenn ich das richtig verstehe, dann ist dieses digitale Zentralbankengeld einerseits ökonomisch schlecht für die, die da mitmachen müssen, aber es ist auch eine grosse politische Gefahr, weil es eben letztlich die Totalüberwachung des Bürgers und seiner finanziellen Freiheiten mit sich bringen könnte.
Ernst Wolff:
Ja, es ist die absolute Kontrolle des einzelnen Bürgers über seine Finanzen. Der Bürger wird damit zum absolut gläsernen Objekt gemacht und kann natürlich auf jede denkbare Art und Weise, wie ich gerade geschildert habe, in die eine oder die andere Richtung gedrängt werden. Also das ist die totale und absolute Versklavung der gesamten Menschheit durch das Geld.
Philipp Gut:
In Ihren Büchern kritisieren Sie oft diese mächtigen Finanzinstitute. Sie haben über den IWF, den Internationalen Währungsfonds, International Monetary Fond und über BlackRock geschrieben. Macht ist ein Problem. Ich erinnere mich aus meiner Studienzeit in der Geschichte an ein sehr schönes oder ein interessantes Bonmot des Schweizer Historikers aus Basel, Jakob Burckhardt, der einmal gesagt hat, «Macht ist an sich böse». Würden Sie das auch unterschreiben?
Ernst Wolff:
Ja, ich glaube, das ist richtig. Vor allen Dingen ist es wichtig, dass man diese Macht einschränkt. Also Demokratie für mich ist nichts anderes als die Einschränkung von Möglichkeiten der Mächtigen. Dass es Mächtige gibt, das lässt sich überhaupt nicht verhindern. Es gibt immer einige Leute, die mehr Macht haben als andere. Es wird nur dann kritisch, wenn diese Macht einfach ins Unendliche explodiert. Und genau das haben wir ja in den letzten Jahren gesehen. Bis vor einigen Jahrzehnten gab es einige Millionäre auf der Welt.
Inzwischen gibt es Milliardäre. Wir haben inzwischen den ersten Menschen, der auf dem Weg zum Viertel Billionär ist. Da ist unglaublich viel Geld in ganz wenigen Händen konzentriert. Oder wenn wir uns Bill Gates als Beispiel nehmen mit seinem Riesenvermögen und seiner Stiftung, der hat unglaublich viel Geld und das ist einfach nicht gut, wenn einzelne Leute so viel Macht ausüben. Und deswegen bin ich dafür, dass man irgendeine Art von Machtbegrenzung in die Verfassung reinschreibt, damit dieses Ungleichgewicht ausgeglichen wird.
Philipp Gut:
Gut, das kann man so sagen, dies gehört auch ein bisschen in die linke Rhetorik, wenn man sagt, dass gewisse Leute immer reicher werden und die Schere zwischen Arm und Reich aufgeht. Wir sehen jedoch auch, wenn wir weltweit schauen, dass es den Ärmeren auch besser geht, zum Teil auch dank der Globalisierung. Es ist wirklich nicht so, dass die Schere in dem Sinne aufgeht, dass die Ärmeren jetzt ärmer werden, sondern denen geht es jetzt auch besser. Da kann man doch sagen, das ist ja gut, warum sollen die nicht noch reicher werden, wenn es letztlich allen besser geht, somit ist ja allen gedient.
Ernst Wolff:
Ja, das ist diese Trickle-Down-Philosophie, aber die teile ich wirklich nicht. Also da muss ich wirklich widersprechen.
Philipp Gut:
Das dürfen Sie auch, dafür sind Sie auch da.
Ernst Wolff:
Genau. Ja, ich glaube nicht, dass es den Armen in der Welt besser geht, wenn ich mir ganze Kontinente ansehe, zum Beispiel Afrika. In Afrika geht es den Menschen heute nicht besser als vor 50 Jahren, sondern wesentlich schlechter. Also in Afrika sind alle Staaten bis in die 1960er-Jahre Selbstversorger gewesen, was die Nahrungsmittel angeht. Inzwischen sind sämtliche Staaten Afrikas von den großen Nahrungsmittelkonzernen aus den USA und aus Europa abhängig. Und das ist einfach eine katastrophale Entwicklung. Und wir sehen jetzt auch, dass einige Politiker in der Welt sogar gehypt werden, weil sie angeblich die Kurve gekriegt haben und ihre Länder in neues Fahrwasser bringen.
Ich denke da an Herrn Javier Milei. Herr Milei hat sehr radikale Maßnahmen in Südamerika, in Argentinien vorgenommen. Aber man muss sagen, gleichzeitig ist auch die Armutsquote in Argentinien in einer Weise in die Höhe geschossen, wie es unter den vorherigen Regierungen nicht der Fall gewesen war.
Also es hat immer zwei Seiten, da muss man sehr vorsichtig abwägen. Aber wie gesagt, ich denke, zu viel Macht in zu wenigen Händen ist ein ganz schlechtes Phänomen. Und allerdings auch ein Phänomen aus dem man Hoffnung schöpfen kann, wenn nämlich, das ist eine der Lehren der Geschichte, wenn zu viel Macht in zu wenigen Händen liegt, dann zerbricht und zerfällt diese Macht auch irgendwann. Und den Prozess erleben wir gerade im Moment.
Philipp Gut:
Also Javier Milei will ich vielleicht noch ein bisschen Zeit geben, es gibt aus meiner Sicht doch Anzeichen, dass sich einiges zum Besten wendet, aber wir müssen uns da auch nicht einig sein. Wenn Sie Machtbeschränkung sagen, Sie haben vorher auch die Finanzpotenz gewisser Individuen auf dieser Welt angesprochen, was würde das heißen? Muss man quasi die Vermögens-Obergrenze deckeln, muss man die enteignen oder welche Lösungen haben Sie um diese finanzielle Macht zu begrenzen?
Ernst Wolff:
Ich denke schon, dass man da eingreifen muss, also wenn ich mir vorstelle, dass einzelne Menschen 250 Milliarden auf ihren Konten haben, während andere Menschen von zwei Dollar am Tag leben, muss man schon dafür sorgen, dass das irgendwie gerechter verteilt wird. Wie das dann gemacht wird, liegt nicht in meiner Kompetenz dafür Maßnahmen zu ergreifen. Ich erkläre hier nur diese Probleme und denke, wir sollten da in einen großen Diskurs überall in der gesamten Welt auch eintreten, wie man das schaffen kann, um diese Macht zu begrenzen, damit die Welt nicht weiter in diese Richtung fortschreitet.
Wir haben auch außer der Konzentration von Geld in so wenigen Händen noch ein ganz anderes Problem, nämlich die Konzentration von Daten in ganz wenigen Händen. Wir haben im Moment eine Entwicklung, die wirklich gar nichts Gutes verheißt. Also wir befinden uns in der vierten industriellen Revolution mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz, die auch in den Händen ganz weniger Leute liegt.
Und diese künstliche Intelligenz wird dazu führen, dass der Arbeitsmarkt weltweit in den nächsten Jahren zusammenbricht. Kein Politiker spricht im Moment davon und das, was sich anbahnt ist eine riesengroße Katastrophe.
Philipp Gut:
Was sehen Sie? Wo liegt genau das Problem?
Ernst Wolff:
Das große Problem liegt daran, dass unglaublich viele Arbeitsplätze weltweit wegfallen werden. Es gibt eine Studie von OpenAI, also der Organisation, die ChatGPT herausgegeben hat, zusammen mit der Universität von Berkeley in Kalifornien, dass in den nächsten Jahren bis 2030 etwa 1,4 Milliarden von 2,4 Milliarden Arbeitsplätzen weltweit gefährdet sind aufgrund des unglaublichen Fortschritts der künstlichen Intelligenz. (...) Dazu die ganze künstliche Intelligenz im Rahmen der Verwaltung. Sie wird dazu führen, dass Verwaltungsjobs in Zukunft keine Sicherheit mehr bieten, sondern wahrscheinlich auch alle wegfallen werden. Aber genau auf diese Entwicklung bereitet uns kein einziger Politiker vor, weil die Politiker offensichtlich Angst haben, den Leuten reinen Wein einzuschenken.
Philipp Gut:
Gut, das kann man natürlich sagen, wenn man historisch zurückschaut. Beispielsweise bei der industriellen Revolution, hat man immer wieder gesagt, dass das zu riesiger Arbeitslosigkeit führe und dass quasi die Maschine den Menschen ersetzen würde. Heute hat man Angst vor der künstlichen Intelligenz. Die Geschichte hat bis jetzt gezeigt, dass das nicht so negativ geworden ist. Herr Wolff, Sie sind bekannt dafür, die Dinge sehr kritisch zu pointieren. Eine schüchterne Gegenfrage: Sind Ihre Ängste nicht übertrieben? Und letztlich hat jede Technologie sowohl positive als auch negative Seiten. Es kommt wohl darauf an, wie man die Technologie einsetzt, zu welchen Zwecken. Sind Sie da nicht ein bisschen schwarzmalerisch unterwegs?
Ernst Wolff:
Nein, leider haben wir im Moment das Phänomen, dass gerade die digitale Sphäre in der Hand von ganz wenigen Konzernen sind. Das sind diese Magnificent 7 im Internet. Silicon Valley, das sind Apple, Amazon, Alphabet, dann Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla. Diese 7 beherrschen den Markt und sie nutzen diese künstliche Intelligenz natürlich nicht zum Vorteil aller Menschen, sondern zu ihrem eigenen Vorteil und das ist das große Problem. Nicht der Fortschritt der Technologie ist das Problem, sondern der Einsatz dieser fortschreitenden Technologie im Interesse einiger weniger. Und meine Bedenken teilen ja wirklich einige Leute, die viel mehr von künstlicher Intelligenz verstehen als ich selbst. Geoffrey Hinton, der jetzt gerade den Nobelpreis bekommen hat (Oktober 24 – Anm. der Redaktion), ist ungefähr in meinem Alter, hat sich 50 Jahre lang mit künstlicher Intelligenz beschäftigt, war lange Jahre bei Google der Chefentwickler von künstlicher Intelligenz und hat im letzten Mai seinen Job dort quittiert und zwar mit der Begründung, dass das Ganze zu gefährlich geworden ist. Wir erleben im Moment eine Entwicklung, die kaum vorstellbar ist. Bisher war das so, dass die künstliche Intelligenz sehr viele Informationen sammeln konnte. Aber die Entscheidung musste immer noch der Mensch treffen. Inzwischen ist es so, dass die künstliche Intelligenz einerseits kreativ sein kann und andererseits selbst auch Entscheidungen treffen kann. Und das ist natürlich ein ganz gefährlicher Zeitpunkt, den wir da erleben.
Philipp Gut:
Was würden Sie hier vorschlagen? Sie haben Einblick in diese Materie, wenn Sie das so scharf kritisieren. Was müsste man hier ändern?
Ernst Wolff:
Ich würde da einen ganz konkreten Vorschlag machen. Ich glaube, man muss wirklich darüber nachdenken, ob man nicht Patente und Lizenzen weltweit freigibt. Man wird diesen Prozess der Entwicklung der künstlichen Intelligenz nicht stoppen können. Aber ich glaube, es wäre ganz wichtig, dass viele Leute daran arbeiten können und dass das vielseitig eingesetzt werden kann und nicht nur von diesen sieben großen Konzernen zum Zwecke ihrer Machterweiterung und ihrer Machtfestigung. Deshalb wäre mein Vorschlag der, Patente und Lizenzen weltweit freizugeben.
Philipp Gut:
Ich komme noch kurz zurück auf das Thema Geldwährungen. Sie haben das angesprochen mit dieser Digital-Zentralbanken-Währung, welche Szenarien auf uns zukommen könnten. In der Schweiz aktuell gab es eine Volksinitiative für den Erhalt des Bargeldes. Wie stehen die Chancen, dass man diese Bastion der Freiheit noch erhalten kann?
Ernst Wolff:
Ich bin natürlich dafür und ich wäre auch sehr dafür, dass man das irgendwie gesetzlich so festlegt, dass man das Bargeld nicht abschaffen kann. Aber wir sehen ja im Moment, dass das Bargeld immer weiter zurückgedrängt wird und zwar auf alle möglichen Arten und Weisen. Wir sehen ja jetzt, dass die ganzen Einzelhändler und die großen Einzelhandelsketten Apps rausgeben, so dass man mit einer App bezahlen kann. Im öffentlichen Verkehr, zum Beispiel in Berlin, wird man nicht mehr in den Bus einsteigen und bar bezahlen können. Es wird an allen Ecken und Enden eingeschränkt und ich glaube nicht, dass wir das werden verhindern können. Aber wichtig ist eben, dass es einen großen Widerstand gegen dieses neue Geld gibt. Das digitale Zentralbankgeld ist ja als Test in Nigeria eingeführt worden. Nigeria ist das größte Industrieland in Afrika. Da hat man offensichtlich einen Test vorgenommen, um zu sehen, was denn wohl in den Industrieländern passiert, wenn man das neue Geld einführt.
Und dieser Test ist total fehlgeschlagen. Und das ist auch einer der Gründe, warum die Mächtigen im Moment in so großen Schwierigkeiten sind, weil die im Moment nicht genau wissen, wie man dieses neue Geld einführt und wie man den Widerstand der Bevölkerung dabei überwinden kann. Also ich denke, da stehen uns noch einige große Überraschungen bevor.
Philipp Gut:
Sie haben neben Ihren finanzpolitischen Büchern ein Kinderbuch geschrieben, das aber auch gewisse finanzielle Aspekte enthält. «Friedrichs Traum von der Freiheit» heisst es. Wie bringt man Kinder erzieherisch dazu, dass sie Werte wie Freiheit, Selbstbestimmung hochhalten, dass sie das erlernen?
Ernst Wolff:
Ich denke, dass wir da auf einige alte Werte zurückgreifen müssen, dass wir die Familie wieder schätzen lernen müssen, dass wir auch versuchen müssen, die Kinder aus der digitalen Sphäre so lange wie möglich herauszuhalten, weil das alles keine gute Entwicklung ist, auf jeden Fall keine Entwicklung, die ich begrüßen kann.
Ich finde es zudem ganz wichtig, dass Kinder so die Wärme der Familie und ihr Umfeld so lange wie möglich genießen können. Und dass sie auch noch Bücher lesen können und nicht mit dem iPad gleich immer abgespeist werden. Also ich glaube, da sollten wir wirklich auf einige konservative Werte zurückgreifen.
Philipp Gut:
Ja, vielen Dank Herr Wolff. Wir sind bereits am Schluss. Vielen Dank, dass Sie bei uns waren. Ich hoffe natürlich mit Ihnen, dass der Traum von der Freiheit nicht ausgeträumt ist. Vielen Dank nach Berlin.
Den gesamten Vortrag in Videoform können Sie HIER anschauen. Das Video wurde am 17. Oktober 2024 auf unserer Website aufgeschaltet.
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Leider ist jemand, der ständig immer den Weltuntergang predigt nicht sehr glaubwürdig.
Als die Zinsen niedrig waren, äußerte Ernst Wolff nahezu täglich in jedem Video, dies töte den Mittelstand. Und als die Zinsen wieder stiegen, äußerte er das gleiche, die hohen Zinsen würden den Mittelstand zerstören.
Daniel Stricker hat die gleiche Beobachtung wie ich gemacht und das einmal analysiert:
https://rumble.com/v5mrjt8-fr-immer-weltuntergang-ernst-wolff-und-sein-non-sequitur-miesmachermesli.html