Der Wahrheit verpflichtet
28. Juni 2023 - Stephan Seiler

Giftiges Hahnenwasser

Stephan Seiler
Eine Leseraktion der Konsumentenzeitschrift K-Tipp zeigt, dass jeder zweite Haushalt von Giften im Trinkwasser betroffen ist. Für den Bund und die Kantone ist das Problem allerdings nicht dringend.
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News vom 28. Juni 2023

Viele glauben, dass Trinkwasser in Schweizer Haushalten bedenkenlos getrunken werden kann. Nur in den Ferien greifen Schweizerinnen und Schweizer oft auf gekauftes Wasser aus der Flasche zurück. Laut der Konsumentenzeitschrift K-Tipp ist es mit der Qualität des hiesigen Trinkwassers allerdings nicht weit her: Das erschreckende Resultat zeigte nämlich, das jeder zweite Haushalt von Giftstoffen im Trinkwasser betroffen ist. Es handelt sich dabei um schwer abbaubare perfluorierte Verbindungen, kurz PFAS. Laut dem deutschen Institut für Risikobewertung stehen die Gifte im Verdacht, Krebs zu verursachen und Kinder im Mutterleib zu schädigen. Es gibt mehrere tausend per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, die von der Industrie seit den 1950-er Jahren genutzt werden. Der Grund dafür ist die hohe Stabilität und Vielseitigkeit dieser Stoffe. Seit 2010 gilt für die Säure PFAS in ganz Europa ein Gebrauchsverbot; für PFOA seit 2020. Weil sich die Chemikalien kaum abbauen, sind sie trotz des Verbots immer noch im Trinkwasser enthalten; und dies nicht zu knapp. Wie die K-Tipp-Analyse zeigte, waren fast 400 der 872 analysierten Proben mit PFAS verunreinigt.

Besonders das Wasser in den Ballungsgebieten Basel, Bern und Zürich sei mit dem Umweltgift kontaminiert. Auch in und um die Städte Genf und Lausanne sei vermehrt PFAS im Trinkwasser gefunden worden. Weitgehend frei von diesen Stoffen sei das Wasser aus Graubünden, dem Wallis und dem Tessin. Aus der Südschweiz hätten Leser allerdings nur wenige Proben eingesandt. Am meisten PFAS enthielten die Proben aus den Kantonen Aargau, Zürich und Basel-Landschaft. Doch alle Proben bewegten sich innerhalb der Schweizer Grenzwerte. Dies liegt daran, dass der Höchstwert in der Schweiz bei 300 Nanogramm pro Liter angesetzt wurde und damit 75-mal höher liegt, als in den USA. Bei PFOA, das erst 2020 verboten wurde, ist der Schweizer Grenzwert sogar 125-mal höher. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ist ähnlich streng wie die US-amerikanische Umweltbehörde. Das vom K-Tipp Labor untersuchte Wasser ist in 17 Gemeinden derart mit PFAS belastet, dass auch der europäische Wert überschritten wird, wenn eine 60 Kilo schwere Person am Tag zwei Liter Wasser trinkt, gerade im Sommer ist das nichts Ungewöhnliches. In den Gemeinden Bülach, Glatt- und Hochfelden seien am meisten dieser Gifte gefunden worden. Die Wasserversorgung Bülach schrieb dem K-Tipp, man halte die Grenzwerte ein, doch als einzelne Gemeinde habe man kaum Handlungsmöglichkeiten. Kanton und Bund würden an einer Strategie arbeiten, um eine weitere Belastung mit PFAS zu vermeiden.

Doch die Mühlen der föderalistischen Bürokratie mahlen langsam. Wie es vom Bundesamt für Landwirtschaft heißt, wolle man auch die schweizerischen Grenzwerte überarbeiten. Doch dies hätte schon längst getan werden müssen; die Zeit drängt: So warnte etwa die Europäische Chemikalienagentur: «Selbst wenn die Verwendung aller PFAS morgen eingestellt würden, wären sie noch über Generationen hinweg in der Umwelt und im Menschen vorhanden.» Vor allem in Schutzkleidern, Regenjacken und Teflonpfannen werden PFAS eingesetzt. Sie finden sich aber auch in Kosmetika, Medikamenten und Möbeln. Tipps für alternativen finden Sie auf unserer Website im schriftlichen Beitrag. Im Skiwachs sorgen PFAS dafür, dass die Skier besser gleiten. In Kleidern dienen sie als wasserdichte und atmungsaktive Schicht. Der K-Tipp rät, Eisen- oder Keramikpfannen zu verwenden anstelle von Teflonpfannen. Imprägniersprays mit PFAS sollte man generell nicht verwenden. Eine Alternative sind natürliche Fette oder Wachse. Statt auf imprägnierte Teppiche sollte man auf die natürliche Schmutzabweisung von Wollteppichen setzen. Zu guter Letzt solle man Einweggeschirr aus Karton nicht verwenden, das vielfach mit PFAS behandelt sei. Eine Alternative dazu ist Mehrweggeschirr aus Glas und Porzellan.

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