Der Wahrheit verpflichtet
10. November 2023 - Patrick Castelberg

In der EU und in der Schweiz: die E-ID bahnt sich ihren Weg

Patrick Castelberg
Geht es nach Regierung und Behörden, ist die Digitalisierung des Bürgers im Kommen. Was muss man wissen und wie ist der aktuelle Stand der Dinge in der EU und der Schweiz?
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News vom 10. November 2023

Im März 2021 hat das Schweizer Volk dem E-ID-Gesetz an der Urne eine klare Abfuhr erteilt. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp über 51 %, sagten fast 65 % «NEIN» zum vorliegenden Gesetz. Damit mussten die Schweizer Digitalisierungspläne eine empfindliche Schlappe einstecken.

Wer denkt, das Thema sei damit nun vom Tisch, täuscht sich leider. Direkt nach der Abstimmung reichten alles sechs Fraktionen der Schweiz gleichlautende Motionen für eine «Vertrauenswürdige staatliche E-ID» ein – für viele Menschen ein Oxymoron, also ein Widerspruch in sich. Stellvertretend für alle anderen zeigen wir hier die Motion des SVP-Nationalrates Franz Grüter. Ende Mai 2021 erteilte der Bundesrat dem EJPD, dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, den Auftrag, ein Grobkonzept einer neuen Lösung für den elektronischen Identitätsnachweis auszuarbeiten. Per Ende März 2023 wurde nun die «Public Sandbox Trust Infrastructure» eröffnet, eine Art virtueller Sandkasten. Hierbei geht es darum, technische Komponenten und Prozesse rund um die geplante E-ID und Vertrauensinfrastruktur nicht nur innerhalb der Bundesverwaltung, sondern auch mit zukünftigen Ökosystem-Teilnehmerinnen der öffentlichen Hand und Wirtschaft zu testen. Per Ende 2023 wird nun die verspätete Botschaft zum neuen E-ID-Gesetz erwartet, die Einführung des entsprechenden Gesetzes verschiebe sich damit auf frühestens Anfang 2026. Man traut seinen Augen kaum: einmal mehr wird der Volkswillen umgangen und ignoriert. Trotz klarem «NEIN» werden weiter Steuergelder verbraten und falls das Volk nicht erneut ein Referendum in Angriff nimmt, ist die Einführung der E-ID offensichtlich beschlossene Sache. Nicht zu verwechseln ist die E-ID übrigens mit der SwissID, einer privat entwickelten digitalen Identifikationsmöglichkeit, auf welche beispielsweise die Schweizer Post setzt.

Und wie sieht es bei unseren Nachbarn in der EU aus? Im Juni 2021 wurde der endgültige Vorschlag zur EIDAS2, der Verordnung über die elektronische Identifizierung veröffentlicht. Dieser sah vor, dass die darin enthaltenen Richtlinien bis September 2023 umgesetzt werden sollten. Dann hätten sämtliche EU-Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass allen EU-Bürgern, -Einwohnern und -Unternehmen eine digitale Identität in Form der «Digital Identity Wallet» – kurz DIW – zur Verfügung stehen würde, um mit Verwaltungen und Unternehmen in der gesamten EU interagieren zu können. Im Frühling 2023 informierte beispielsweise Heise, dass die EU-Abgeordneten ihre Position zur europäischen digitalen Identität beschlossen haben. Das Recht auf Anonymität solle gewahrt bleiben. Dabei sprachen sie sich gegen eine durchgängige und lebenslange Identifikation aus, was bei den Mitgliedstaaten allerdings auf wenig Gegenliebe stoße.

Per gestern teilte nun die EU-Kommission mit, dass sie die Einigung über die EUid-Brieftasche begrüße. Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der Zielvorgaben der digitalen Dekade bis 2030 in Bezug auf die Digitalisierung öffentlicher Dienste. Doch nicht nur öffentliche Dienste sind verpflichtet, die Regelungen umzusetzen, auch große Online-Dienste und -Plattformen wie Amazon, Facebook und viele mehr werden in die Pflicht genommen. Und was haben die Menschen davon? Die Kommission schreibt:

«Alle Bürgerinnen und Bürger der EU werden so die Möglichkeit erhalten, eine EUid-Brieftasche für den Zugang zu öffentlichen und privaten Online-Diensten zu benutzen, wobei die Sicherheit und der Schutz der personenbezogenen Daten in ganz Europa in vollem Umfang gewährleistet werden.»

Immerhin, von einer Verpflichtung für Private ist nicht die Rede. Allerdings kann man davon ausgehen, dass ein Großteil der EU-Bürger – und wohl auch die Schweizer-Bevölkerung bei der geplanten E-ID – einfach mitmachen wird, ohne die Konsequenzen zu hinterfragen. Und ein weiterer Teil wird die digitale Brieftasche unter Murren in Empfang nehmen, um nicht von Komfort und Dienstleistungen abgeschnitten zu werden. Und so sehr man die Bemühungen und Beteuerungen der Behörden in Sachen Privatsphäre und Datensicherheit hochhalten mag: Es handelt sich bei den Systemen um zentralisierte Datensammelsysteme, welche auf Endgeräten mit Systemen wie Android, Windows und auch Apple-Betriebssystemen ihre Daten bereitstellen. Und wenn man daran denkt, wer da alles mitlesen könnte, kann es einem anders werden, vor allem im Gedanken, dass praktisch alles digital Erfassbare – von Arztrezepten bis Führerschein – in der digitalen Existenz eines jeden Bürgers festgehalten sein wird, und dies letzten Endes gekoppelt mit einer vom Staat kontrollierten digitalen Währung. Wer das alles nicht so möchte, sollte nicht mehr länger nur zusehen, sondern mögliche Maßnahmen dagegen ergreifen.

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