Der Wahrheit verpflichtet
27. März 2023 - Stephan Seiler

Insekten-Hype

Stephan Seiler
Während bei Konsumenten kaum eine Nachfrage nach essbaren Insekten besteht, will Coop zur Pionierin für Insektenproteine werden.
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News vom 27. März 2023

Das Essen von Insekten soll angeblich dazu beitragen, den Hunger in der Welt zu beseitigen. Zudem sei die Ökobilanz von Insekten rund 100 Mal besser, als bei Rindern oder Schweinen. Zumindest behauptet dies ein Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation «FAO» der Vereinten Nationen.

Als erstes Land in Europa erlaubte die Schweiz im Jahr 2017 die Vermarktung von drei Insektenarten: Grillen, Heuschrecken und Mehlwürmer. Seit Januar dieses Jahres sind nun auch zu Pulver verarbeitete Hausgrillen und Larven des Getreideschimmelkäfers in der EU und in der Schweiz als neue Lebensmittel zugelassen. Die Liste von Produkten, in denen die Insekten enthalten sein dürfen, ist lang: Schokolade, Pizzen, Nudeln, Brötchen und auch Fleisch und Fleischersatzprodukte – es sei denn, letztere tragen das von Swissveg gegründete und geprüfte Vegan- oder Vegetarisch-Label, welches Insektenbeigaben komplett ausschliesst.

Für Insekten gilt eine gesetzliche Deklarationspflicht. Ob sich die Produzenten daran halten, und wer sie kontrolliert, ist hingegen fraglich. Laut der von der Kommissionspräsidentin Von der Leyen unterzeichneten EU-Verordnung, dürfen die Hausgrillen erstaunlicherweise nur von einer einzigen Firma aus Vietnam namens «Cricket One» geliefert werden. Nicht anders ist es bei den Larven des Getreideschimmelkäfers, die nur von der Firma «Ynsect SAS» aus Frankreich für fünf Jahre exportiert werden dürfen. Diese seltsamen Regelungen verstoßen damit gegen die sonst so strengen EU-Vorschriften zum Schutz des freien Wettbewerbs. Laut eines wissenschaftlichen Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit «EFSA», seien die Insekten als «Novel Food» für den Menschen sicher. Über die Zusammensetzung dieser Insekten wissen jedoch nur die Hersteller Bescheid: Laut der Verordnung sind die wissenschaftlichen Analysedaten über die Zusammensetzung und Toxizität von den Insekten-Züchtern eigentumsrechtlich geschützt. Sie werden nicht veröffentlicht und sind damit geheim.

Wieso diese Geheimhaltung? Könnten etwa Stoffe in den Insekten enthalten sein, die für Menschen gesundheitsschädigend sind? Für das Nachrichtenportal Nau.ch gehören solche durchaus berechtigten Fragen in die Ecke von Verschwörungstheorien, von denen sich die meisten in den letzten Jahren jedoch bewahrheitet haben. Für Allergiker sind Insekten auf jeden Fall nicht ungefährlich: Bei Allergien gegen Schalen- und Krustentiere, Hausstaubmilben und Weichtiere, kann der Verzehr gemäß der deutschen Verbraucherzentrale allergische Reaktionen auslösen. Zudem gelten Insekten allgemein als Träger von Krankheitserregern. Wie das Biotechnologie-Unternehmen «R-Biopharm» schreibt, gibt es keine besonderen Hygieneanforderungen für Speiseinsekten. Klare Anforderungen an die Zulassung und Kennzeichnung für Insektenproduzierende und -verarbeitende Unternehmen gebe es ebenfalls keine. Auch Vorschriften hinsichtlich der Anforderungen an Futtermittel für Speiseinsekten würden fehlen. Trotzdem wird die Produktion von Insekten mit Hochdruck gefördert.

Im krassen Gegensatz dazu zeigen Verbraucherumfragen, dass nur rund 9 Prozent der Schweizer Bevölkerung den Verzehr von Insekten befürwortet. Laut einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenportals Nau.ch wollen 89 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer keine Produkte mit Insektenmehl konsumieren. Trotzdem nimmt die Schweiz in Europa mit 17 Prozent den größten Marktanteil für essbare Insekten und Insektenproteine ein. Während der Detailhändler Migros wegen mangelnder Nachfrage auf den Verkauf von Insekten-Food verzichtet, will die Konkurrentin Coop bei der Produktion von Insektenproteinen Pionierin werden. Die zur Coop Division gehörende Getreidemühle «Swissmill» startete gemeinsam mit «RethinkResource» und «Proti-Farm» ein Pilotprojekt. Von Coop wollten wir wissen, wieso der Detailhändler die Produktion von Insektenproteinen bei gleichzeitig fehlender Nachfrage fördern will. Die Antwort:

Bei Coop ist die Nachfrage nach Insekten-Produkten stabil. Das Pilotprojekt ‘Zoi’ zur Produktion von hochwertigen Insektenproteinen führt Swissmill seit rund zwei Jahren durch. (…) Im Fokus des Pilotprojekts steht insbesondere die Eignung der Insektenproteine als hochwertige und nachhaltige Proteinalternative in der Futtermittelindustrie.

Komischerweise ist die Nachfrage nach Insekten angeblich nur bei Coop stabil. Dass Insektenpulver in Zukunft auch den Futtermitteln für Tiere beigemischt werden soll, lässt aufhorchen. Seltsamerweise wird hier am Bedürfnis der Konsumenten diametral vorbeiproduziert. Wer sicher sein will, bereitet seine Mahlzeiten am besten möglichst frisch zu, mit möglichst wenig dubiosen Fertigprodukten.

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