Das vorliegende Interview wurde als Spende für HOCH2 von D. G. verschriftlicht, leicht gekürzt und gestrafft. Das gesamte Interview in Videoform können Sie HIER anschauen.
Regina Castelberg:
Guten Tag liebe Zuschauerinnen, liebe Zuschauer, ich begrüße Sie ganz herzlich zu diesem Interview zum Thema E-ID hier auf HOCH 2. Die E-ID, die elektronische Identität, ist ein weltweites Thema. Wir werden uns heute vor allem auf die Schweizer E-ID konzentrieren, aber nicht nur, daher auch für alle internationalen Zuschauer sicher ein sehr interessantes Thema. Herr Josef Ender, schön dass Sie hier sind.
Josef Ender:
Danke für die Einladung.
Regina Castelberg:
Sie sind IT-Unternehmer mit 30 Jahren Berufserfahrung, Präsident des Aktionsbündnis Urkantone und jetzt auch sehr aktiv dabei, über die geplante E-ID zu informieren. Man muss dazu sagen, dass im Jahre 2021 die E-ID vom Schweizer Volk mit 65 Prozent sehr deutlich abgelehnt wurde. Drei Jahre später hat das Parlament ein neues E-ID-Gesetz verabschiedet. Es wurden von verschiedenen Komitees Referenden dagegen ergriffen. Aber was ist die E-ID eigentlich, auf die Schweiz bezogen?
Josef Ender:
Im Grundsatz ist es ein elektronischer Ausweis, ähnlich wie die ID oder den Pass, den wir kennen, um sich online digital ausweisen zu können, statt wie in der physischen Welt, wo man den Ausweis zeigt. Ich denke, im Grundsatz kann man das so ungefähr vergleichen.
Regina Castelberg:
Also da geht es darum, sich in der digitalen Welt zu identifizieren. Sehe ich das richtig?
Josef Ender:
Genau. Es geht um Identifikation, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es geht nicht um Autorisierung oder Authentifikation, sondern um Identifikation.
Regina Castelberg:
Was ist der Unterschied?
Josef Ender:
Eine Authentifizierung ist, wenn ich den Benutzernamen und das Passwort eingebe. Damit beweise ich, dass ich auch noch etwas Bestimmtes weiß. Wenn ich die E-ID oder den Pass zeige, ist das nur eine Identifikation, es könnte auch jemand anderes sein. Ich müsste also noch zusätzlich beweisen, dass ich auch wirklich derjenige bin.
Regina Castelberg:
Jetzt wird oft bei solchen Digitalisierungen argumentiert, dass alles viel einfacher und bequemer würde. Stimmt das Ihrer Meinung nach oder gibt es dafür einen anderen Grund, dass diese E-ID gegen den Volkswillen gepusht wird?
Josef Ender:
Ich habe mich in den letzten Wochen mit der E-ID intensiv befasst. Ich suche jedoch noch heute nach einem sinnvollen Nutzen. Selbst die Bevölkerung macht sich die gleichen Überlegungen. Ein Politologe hat das mit der Autobahn-Vignetten-Abstimmung verglichen. Die Bevölkerung hat gesagt: ob ich 40 oder 100 Franken bezahle, die Autobahnen bleiben dieselben. Das Gleiche sah man bei der E-ID, man konnte der Bevölkerung keinen nennenswerten Vorteil aufzeigen. Wenn man die analoge und die digitale Welt miteinander vergleicht, fragt man sich, wann die E-ID überhaupt zur Anwendung kommt. In der analogen Welt brauche ich den Pass beispielsweise beim Grenzübertritt oder beim Abholen eines Pakets. Das ist dann auch schon alles. In der digitalen Welt im Internet gibt es keine Grenzen. Da muss ich keine ID zeigen. Möglicherweise gibt es Dienste im Internet, bei denen ich mich ausweisen muss, aber einen eigentlichen Nutzen der E-ID habe ich jedenfalls noch keinen gefunden.
Regina Castelberg:
Die E-ID betrifft vor allem Privatpersonen. Herr Ender, Sie sind selbst IT-Unternehmer und Dienstleister. Wie beurteilen Sie die E-ID in Bezug auf das Arbeitsleben in Unternehmen?
Josef Ender:
Ich habe bisher keinen Bedarf feststellen können. Ich erledige alle meine Geschäfte digital, auch die Rechnungen werden digital versendet. Ich reiche die Mehrwertsteuer, die Verrechnungssteuer und die Steuererklärung digital ein. Ich hatte jedoch noch nie den Bedarf, mich persönlich ausweisen zu müssen. Es wird auch nirgendwo gefordert, denn die Firmen erhalten keine E-ID, nur Privatpersonen. Es wird aber nirgendwo dadurch einen Vorteil geben.
Regina Castelberg:
Dazu eine spontane Frage. Es geht ums Bezahlen. Immer mehr sind die CBDC, also Zentralbankengelder und Konten im Gespräch. Könnte hier eine Absicht dahinterstecken, dass die E-ID früher oder später mit so einem zentralen Konto verknüpft wird?
Josef Ender:
Ja, das wird wahrscheinlich so passieren. Wenn das Zentralbankgeld eingeführt wird, ist die E-ID schon da. Generell wird man in Zukunft sagen können, wenn wir die E-ID schon einmal haben, können wir sie auch noch für dieses oder jenes nutzen. Und somit wird die Freiwilligkeit durch die Hintertür ausgehebelt. Man wird die E-ID überall einsetzen, wo irgendeine Identifikation nötig ist oder uns gesagt wird, dass sie nötig ist.
Regina Castelberg:
Welche Gefahr besteht, wenn eine E-ID mit einem Zentralbanken-Konto verknüpft wird? Das Ziel ist ja, so wird gemunkelt, nur noch ein einziges Konto zu besitzen.
Josef Ender:
Ich stufe die Gefahr eines zentralen Kontos viel größer ein als die E-ID. Die E-ID wäre für mich nicht direkt die Gefahr, sondern wirklich ein zentrales Konto zu besitzen, das beliebig gesperrt oder eingeschränkt werden kann.
Regina Castelberg:
Man fühlt sich ein bisschen an die Corona-Maßnahmen-Zeit erinnert, wo man nicht mit einer E-ID, aber teilweise mit diesem QR-Code beweisen musste, dass man eine gewisse Behandlung gemacht hat. Vielleicht war der QR-Code ein Vorläufer, die Leute daran zu gewöhnen, dass man auch in Restaurants eine Identifikation vorzuweisen hat. Ist es eine Überwachung oder der Schritt in die EU? Was könnte in Ihren Augen der wirkliche Grund für diese E-ID sein?
Josef Ender:
Es gibt viele Gründe, ich werde auf zwei eingehender zu sprechen kommen. Also der erste Grund ist die Überwachung. Das ist ganz klar die große Gefahr, dass man letztendlich überall seine E-ID zeigen muss. Die Frage, ob es ein Schritt in die EU sei, ist mit einem Ja zu beantworten und es ist wirklich tragisch, weil man von Anfang an gesagt hat, Privacy by Design, die Privatsphäre, der Datenschutz müsse gewährleistet bleiben. Jetzt hat, ich würde sagen klammheimlich, im Dezember der Bundesrat bei der Technologiekonferenz den Entscheid getroffen, dass man nun die EU-Variante übernehme. Und dort gibt es genau dieses Privacy by Design nicht mehr! In der offiziellen Medienmitteilung findet man zu diesem Technologieentscheid keine Informationen, nur auf der englischen Seite «GitHub». Das alleine ist für mich schon ein Skandal. Sonst heißt es immer, man müsse in allen vier Landessprachen kommunizieren.
Der Bundesrat hat zwar noch gesagt, wir spenden eine Million in die Forschung zur Entwicklung, dass die Privacy by Design doch wieder erreicht werden kann. Dies wird aber leider nicht mehr möglich sein. Ein solcher Grundsatzentscheid in der Technologie ist irreparabel; das haben uns die letzten Jahrzehnte gezeigt.
Regina Castelberg:
Sie als IT-Spezialist können das sicher bestens beurteilen. Dann ist es wohl auch nicht mehr möglich, gewisse Dinge in der Schweiz abzuschalten?
Josef Ender:
Nein, weil der Technologieentscheid gefallen ist. Dieses eindeutige Token (Anmerkung der Redaktion: Ein Token ist laut Definition eine digitale Einheit, die auf einer Blockchain existiert und einen Wert oder ein Recht repräsentiert) wird dann in Zukunft auch bei der Schweizer Variante mitgesendet und das wird sich nicht mehr so einfach deaktivieren lassen.
Regina Castelberg:
Könnte dies der Grund für diese Eile zur Einführung der E-ID sein?
Josef Ender:
Ich denke, ein großer Druck geht davon aus. Es gibt diese Organisation ID2020, die diese weltweiten, digitalen Ausweise anstrebt.
Regina Castelberg:
Ist die E-ID fälschungssicher?
Josef Ender:
Eine wichtige Grundlage in der IT-Sicherheit ist, dass es immer auch Schwachstellen gibt. Im Beispiel des Technologieentscheides ist die Schwachstelle die Gesamtsicherheit. Und potenzielle Angreifer finden diese Schwachstelle. Als Vergleich nehme ich das deutsche, digitale Patientendossier. Da hat man gesagt, das sei eines der grössten IT-Projekte europaweit und es sei das sicherste Projekt. Und dann haben sich zwei sogenannte White Hat Hacker, also gute Hacker, sich die Sicherheit von Programmen angeschaut, so auch dieses Patientendossier in Deutschland. Und ja, so sicher waren sie dann doch nicht, denn die beiden Hacker haben verschiedene Orte oder Schwachstellen angegriffen und Zugriff auf alle 70 Millionen Patientendossiers mit allen vertraulichen Informationen erhalten.
Dies zeigt einfach auf, dass sich Sicherheit nicht verordnen lässt, nur weil man ein Gesetz erlässt. Das ist die Realität. Und vielleicht noch ein zweites Beispiel: Deutschland hat schon einen Online-Ausweis. Die Regierung hat sich gebrüstet wie fälschungssicher er sei. Nun, die App ist vielleicht fälschungssicher. Und trotzdem, jemand hat einfach eine praktisch identische App erstellt. So können sich die Leute mit dieser gefälschten App eine E-ID mit anderer Identifikation erstellen. Die Regierung hat dann zugegeben, dass diese Schwachstelle sehr schwierig zu lösen sei.
Regina Castelberg:
Das nennt man dann Identitätenklau. Übrigens ist das erwähnte elektronische Patientendossier auch in der Schweiz ein Thema. Hängt das mit der E-ID zusammen?
Josef Ender:
Leider ja. Es wird uns erzählt, die E-ID sei komplett freiwillig. Aber dem ist eben nicht so, weil jetzt das elektronische Patientendossier eingeführt werden soll. Und das ist nicht freiwillig.
Es wird viel schön geredet. Ich vergleiche es mit den ganzen Cookie-Geschichten. Wenn ich heute auf eine Webseite gehe, dann muss ich irgendwie Datenschutz und Cookie-Richtlinien bestätigen und viele Webseitenbetreiber beziehen sich immer auf das Datenschutzgesetz. Das stimmt hinten und vorne nicht. Wir haben in der Schweiz kein Gesetz, das irgendeine Bestätigung von einer Cookie-Richtlinie oder von einer Datenschutzrichtlinie vorschreibt. Im Fernmeldegesetz steht etwas, aber nicht im Datenschutzgesetz. Da steht tatsächlich was drin von Cookies. Den Leuten wird das irgendwie aufgezwängt und natürlich kann sich der Bund die Hände reiben und sagen, wir haben kein Gesetz gemacht, das das vorschreibt. Aber man sieht es ja, auf jeder Webseite muss man diese blöden Cookies bestätigen und ich denke, das wird genau gleich mit der E-ID sein. Dann wird man einfach auf jeder Webseite automatisch seine E-ID übertragen müssen, weil die Betreiber sagen, da gäbe es irgendwo ein Gesetz, das das vorschreibt und sie überprüfen müssten, ob das wirklich diese Leute sind. Ich befürchte, dass die ganzen Chats, die ganzen Foren etc. nur noch per E-ID betretbar sein werden. Es wird alles kontrollierbar! Die Folge könnte sein, dass sich Klagen und Beschwerden häufen werden.
Regina Castelberg:
Dies könnte die Kriminalisierung der Normalbürger nach sich ziehen. Die Kriminellen werden immer irgendwelche Wege finden, das Gesetz zu umgehen. Gegängelt würde wieder der brave Bürger, der sich an alles hält und Angst hat, dass er irgendetwas falsch macht.
Ich möchte gerne kurz zum elektronischen Patientendossier zurückkommen. Ich sehe, dass die Digitalisierung in östlichen Ländern teilweise viel weiter vorgeschritten ist als bei uns. Zum Beispiel in Ungarn ist ein elektronisches Patientendossier Pflicht. Dagegen gibt es aber jetzt, so wie ich gehört habe, eine Initiative «Recht auf analoges Leben». Ich denke, wir haben jetzt in der Schweiz noch die Chance dafür zu kämpfen, dass es gar nicht so weit kommt. Wie müsste man Ihrer Meinung nach vorgehen, wenn man das «Recht auf analoges Leben» erhalten will?
Josef Ender:
Ich würde sagen, dass es sehr wichtig ist, das Gefahrenpotenzial und den fehlenden Nutzen einer E-ID und eines elektronischen Patientendossiers aufzuzeigen, was sehr schwierig sein dürfte. Ich bin zwar für Digitalisierung im Allgemeinen, es gibt sehr viele sinnvolle Sachen, aber es gibt auch viele Missbräuche. Das habe ich in den letzten 30 Jahren in meinem Beruf erfahren. Es kommen immer wieder neue Sachen auf den Markt, die sind zwei bis drei Jahre lang ein Hype, und dann verschwinden sie wieder.
Regina Castelberg:
Kommen da nicht auch hohe Kosten auf uns zu was die Einführung der E-ID betrifft?
Josef Ender:
Da bin ich jetzt ehrlich gesagt ein bisschen überfragt was die Kosten betrifft. Was mir gar nicht gefällt, ist, dass der Bund schon eine ganze Abteilung aufgebaut und Leute eingestellt hat, die jetzt schon für diese E-ID arbeiten. Und das, obwohl das Gesetz noch nicht verabschiedet wurde. Das geht gar nicht finde ich. Ergänzend möchte ich noch darauf hinweisen, dass für uns die E-ID nur eine Scheinsicherheit bedeutet, wie gesagt, sind nur die Privatpersonen davon betroffen und nicht Firmen wie beispielsweise DHL oder Swisscom. Es gibt so viele Betrugsfälle in diesem Bereich, aber wir haben keine Möglichkeit die Firmen zu überprüfen, sie sind auch nicht in der Identifikationspflicht und das ist das eigentliche Problem. Leider spricht keiner darüber.
Regina Castelberg:
Es geht um Kontrolle und Überwachung, so habe ich den Eindruck. Sie haben etwas angesprochen, das viele Menschen schon erlebt haben: wenn man Firmen erreichen will oder Beschwerden hat, ist es fast unmöglich irgendjemanden zu erreichen. Auch wir von HOCH2 erleben im Moment etwas Ähnliches: es gibt jemanden, der ein Konto von uns beansprucht, das ihm aber nicht gehört. Es ist absolut kriminell. Wir wollten YouTube erreichen, Google etc. Keine Chance!
Josef Ender:
Genau. Leider kann man mit Gesetzen die Kriminellen nicht dazu bringen, dass sie nicht mehr kriminell sind. Mit den vorhandenen Gesetzen gängelt man den unbescholtenen Bürger, aber nicht die Täter. Auf die Idee, Gesetze zur Einschüchterung der Kriminellen zu machen, kommt die Regierung nicht. Das ist eine traurige Bilanz. (...)
Regina Castelberg:
Sie haben das Schlusswort Herr Ender.
Josef Ender:
Ich denke, es ist wie bei allem, man muss die Sachen kritisch hinterfragen und vorsichtig sein, was einem da verkauft wird. Das Thema Sicherheit ist hier ganz wichtig. Die ganze Überwachung ist gefährlich, das sollte man wirklich im Auge behalten und kritisch bleiben. Das analoge Leben ist viel wichtiger als das digitale Leben. Ich denke, da sollten wir mehr investieren.
Hinweis der Redaktion: Am 7. März 2025 fand ein Informationsanlass zum Thema E-ID statt, unter anderem organisiert von Josef Ender. Sie finden eine schriftliche Zusammenfassung und die Aufzeichnung des Events HIER.
Falls Sie das Referendum unterstützen möchten, können Sie dies HIER tun.
Das gesamte Interview in Videoform können Sie HIER anschauen. Das Video wurde am 25. Februar 2025 auf unserer Website aufgeschaltet.