Der Wahrheit verpflichtet
26. Juni 2023 - Stephan Seiler

Kantone untergraben die Gemeindeautonomie

Stephan Seiler
Wie schon bei den Asylunterkünften, wird die Autonomie von Gemeinden auch beim Bau von Windkraftanlagen ignoriert. Die Naturschutzzone Bachtel im Zürcher Oberland ist besonders betroffen.
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News vom 26. Juni 2023

Nach dem Willen der Kantonsregierung sollen alleine im Kanton Zürich bis zum Jahr 2050, insgesamt 120 Windenergieanlagen in 46 sogenannten «Potenzialgebieten» gebaut werden. Der grüne Regierungsrat Martin Neukom hatte die Pläne schon im vergangenen Oktober publik gemacht. Gemäß den kantonalen Plänen soll die Windenergie langfristig sieben bis acht Prozent des Energiebedarfs decken. Bereits nach der Ankündigung regte sich bei der Bevölkerung breiter Widerstand. Nun will der bereits im letzten Jahr gegründete Verein «Freie Landschaft Zürich» die Bevölkerung mobilisieren. «Die Schweiz ist kein Windland, der Kanton Zürich erst recht nicht», sagt der Vereinspräsident und Landschaftsschützer Martin Maletinsky. Wie die Obersee-Nachrichten schreiben, waren von den versammelten Anwohnern im Hinwiler Hirschensaal, wo das Projekt vorgestellt wurde, nur rund ein Viertel für die Windkraft; die große Mehrheit war dagegen. Man solle Maßnahmen ergreifen, die etwas bringen und keine Symbolpolitik betreiben, fand Maletinsky, der auf die fehlende Effizienz von Windrädern aufmerksam machte:

«Momentan sind in der Schweiz 40 Windturbinen im Einsatz. Wären sie permanent in Betrieb, könnten sie nur 1,5 Prozent des gesamten Energiebedarfs decken.»

Darüber, dass Windkraftanlagen alles andere als nachhaltig und klimaneutral sind, berichteten wir bereits in unserer Sendung vom 10. Mai. Auch im Zürcher Oberland und im Tösstal sind Windräder geplant; namentlich auf dem für Wander- und Genussfreunde beliebten Bachtel und der Natur-Schutzzone «Bachtel-Almen-Kette». Bis zum Aussichtspunkt Hörnli sollen die 230 Meter hohen Windräder entlang der Hügelkette aufgebaut werden. Im Vergleich dazu sehen Gebäude wie etwa die Uni Zürich oder das Grossmünster wie kleine Spielzeuge aus. Momentan findet eine Beurteilung durch den Kanton statt, welche Gebiete definitiv in den Richtplan aufgenommen werden sollen. Aufgrund der enormen Größe und des Gewichts der Bestandteile von Windgeneratoren, müssten breite Schneisen in den Wald geschlagen- und befestigte Zufahrtsstraßen gebaut werden. Mit Klima- und Umweltschutz hat das Vorhaben demnach nichts zu tun. Der Gemeinderat findet das ein viel zu starker Eingriff in Landschaft und Natur. In der Medienmitteilung vom 19. Juni schreibt er:

«Insgesamt sieht der Gemeinderat die Errichtung von Windparks auf den bewaldeten Höhen der Gemeinde und die damit verbundenen starken Eingriffe in Landschaft und Natur und deren Folgen als unrealistisch und grundlegend als nicht geeignete Standorte für die Gewinnung von Windkraft. Insbesondere zum Potentialgebiet Bachtel/Allmen, in welchem sich die Bachtelschutzzone befindet, hat der Gemeinderat höchste Bedenken bezüglich Einfügung sowie Schutz von Mensch, Natur und Umwelt.»

Nebst Hinwil wehren sich auch die Gemeinden Wildberg und Russikon gegen die abstrusen Pläne der kantonalen Obrigkeit. In Wildberg haben sich 40 Einwohner zusammengetan und Ende Mai bei der Gemeinde die Initiative «Mindestabstand von Windrädern» eingereicht. Die Initiative dürfte gute Chancen haben, denn bereits das Bundesgericht hat bestätigt, dass Gemeinden das Recht haben, in ihrem Baureglement einen Mindestabstand zwischen Windturbinen und Wohnhäusern zu verankern. Nach den Sommerferien muss der Kantonsrat den Richtplan öffentlich auflegen. Der Gemeinderat Hinwil ruft die Bevölkerung dazu auf, ihre Meinung über den Plan kundzutun und bekräftigt damit nochmals seine ablehnende Haltung gegenüber dem Bau von Windrädern in der Schutzzone. Bemängelt würden zudem fehlende Unterlagen. Man könne die kantonalen Pläne damit nicht lückenlos nachvollziehen.

Die Gemeinde spricht von einer «Untergrabung der Gemeindeautonomie.» Dass Kantone die Autonomie von Gemeinden zunehmend ignorieren, wird auch an den Beispielen der vielerorts geplanten Asylunterkünften sichtbar. Im Eiltempo entscheiden kantonale Ämter über den Willen der Gemeinderäte und der Anwohner mutwillig hinweg. Demokratisch und rechtsstaatlich ist ein solches Vorgehen nicht. Deshalb wird es für die Bevölkerung von Gemeinden umso wichtiger, zusammenzustehen und geschlossen aktiv zu werden.

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