Der Wahrheit verpflichtet
07. August 2023 - Stephan Seiler

Mehr Krankheitsfälle am Arbeitsplatz

Stephan Seiler
Negativrekord von Arbeitsabsenzen
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News vom 7. August 2023

Wie die Boulevardzeitung Blick vor Kurzem berichtete, verzeichnete die Schweiz beim Thema Krankheitsausfälle am Arbeitsplatz 2022 einen Negativrekord. Das Arbeitsethos als fester Bestandteil der Schweizerischen Tradition sei in Gefahr, behauptet das Blatt und beruft sich auf Zahlen des Bundesamtes für Statistik BFS. Nach denen hätten Vollzeitbeschäftigte aufgrund von Krankheit oder Unfall im Durchschnitt 9,3 Tage am Arbeitsplatz gefehlt, während zwischen den Jahren 2010 und 2019 die Zahl der jährlichen Absenzen gemäß BFS jeweils zwischen rund 6,2 und 7,2 Tagen lag.

Erstaunlicherweise stiegen die Zahlen von krankheitsbedingten Absenzen just in dem Jahr, als die meisten Menschen gegen Covid-19 geimpft wurden. Von diesem möglichen Zusammenhang liest man im Blick nichts. Er bietet schlichtweg keinerlei Erklärungsversuche für die gestiegenen Absenzen an. Über die möglichen Gründe zeigt sich auch das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO ratlos. Stattdessen nimmt es die Arbeitgeber in die Pflicht und weist darauf hin, dass Prävention am Arbeitsplatz nicht freiwillig sei. Eine vom Blick zitierte Sprecherin der AXA Versicherung versucht die Zunahme mittels eines wissenschaftslosen Konjunktivs zu begründen:

«Möglicherweise wurde durch die Pandemie das Bewusstsein für Ansteckungen geschärft, sodass Angestellte bei Krankheiten schneller zu Hause bleiben.»

Uneins seien sich die Versicherer bei der Frage, wie stark die viel diskutierte Zunahme von psychischen Krankheiten dabei ins Gewicht falle. Für die Krankenkasse SWICA spielen psychosomatische Erkrankungen eine große Rolle. Der Blick vermischt Unfälle im privaten Umfeld mit der Krankheit am Arbeitsplatz. Und der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB führt die zusätzlichen Abwesenheitsmeldungen auf den Stress am Arbeitsplatz zurück. Statt sich mit den Wurzeln des Problems zu befassen, spielt der SGB den Ball den kantonalen Arbeitsinspektoraten zu, mit der Anweisung, genauer hinzuschauen. Immerhin werden diesmal weder Hitzestress noch Long-Covid als Sündenböcke präsentiert. Doch dies könnte sich auch schnell wieder ändern.

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