Der Wahrheit verpflichtet
03. November 2023 - Roger S. Taylor 1

Microsoft ändert Servicevertrag – Totalüberwachung auf dem Heim-PC?

Roger S. Taylor
Seit einem Monat ist der neue Servicevertrag von Microsoft in Kraft, welcher die Geschäftsbeziehungen mit den Nutzern von Microsoft Produkten regelt. Wird Ihr PC damit zum Heim-Spion Ihrer Daten?
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News vom 3. November 2023

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto und der Hersteller schreibt Ihnen in seinem «Servicevertrag» vor, für welche Aktivitäten Sie das Auto nutzen dürfen und für welche nicht. Und um dies sicherstellen zu können, ist im Auto gleich eine umfangreiche Überwachungseinrichtung eingebaut, welche den Hersteller konstant über Ihre Aktivitäten mit dem Auto informiert und falls Sie gegen die «Nutzungsbedingungen» verstoßen, entsprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Klingt absurd, ist aber in Bezug auf Computernutzung praktisch Realität geworden.

Wer im Laden oder auch gebraucht einen PC oder Laptop kauft, trifft meist auf ein vorinstalliertes Windows, außer bei Apple-Produkten. Und durch dessen Nutzung entsteht automatisch eine Geschäftsbeziehung mit der Firma Microsoft. Und wer weitere Dienste wie Office 365, Outlook, Teams, oneDrive oder auch die Spielkonsole Xbox nutzt, steht ebenfalls unter den Vertragsbedingungen des weltweit größten IT-Konzerns.

Diese Geschäftsbeziehung nennt Microsoft einfach «Servicevertrag». Und dieser wurde auf Anfang Oktober 2023 umfangreich angepasst. Neu ist auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz darin geregelt. Denn diese wird bei den Microsoft-Diensten umfangreich eingesetzt.  Sämtliche Bilder, Texte, Audio- und Videodateien, welche in Zusammenhang mit einem Microsoft-Dienst verwendet werden, werden von einer KI gescannt und entsprechend ausgewertet. In erster Linie soll es dabei um das Aufspüren von offiziell strafbaren Inhalten gehen. Doch damit nicht genug. Auch der Verstoß gegen die Microsoft eigenen «Richtlinien» soll geahndet werden. Dabei kommen nicht nur automatisierte Algorithmen zum Zug, sondern es können auch Menschen darauf zugreifen. Man ist also verpflichtet, Microsoft zu erlauben, dass die eigenen Daten jederzeit von Menschen persönlich angeschaut werden dürfen. In diesem Kontext klingt die ebenfalls im Vertrag stehende Floskel, dass Microsoft der Datenschutz und die Privatsphäre wichtig seien, wie ein Hohn. Auch die Behauptung, dass sie keinen Anspruch auf das Eigentum der Daten des Nutzers haben würden. Mit anderen Worten, Ihre Privatsphäre ist uns wichtig, aber wir wollen trotzdem jederzeit alles von Ihnen ansehen dürfen.

Unter dem Titel «We find it», also «Wir finden es» wird einem versichert, dass die Techniken zur Feststellung von Verstößen sehr ausgereift sind. Als Beispiel eines möglichen Verstoßes ist das oft gescholtene Wort «Hassrede». Was Hassrede ist und was nicht, unterliegt natürlich der Willkür von Microsoft. Doch auch sogenannte «Vertrauenswürdige Flagger» sowie staatliche Behörden können Inhalte melden.

Beziehen sich diese Überwachungsmethoden ausschliesslich auf Online-Dienste oder auch auf die lokalen Daten und Aktivitäten? Dies geht aus den sowieso oft sehr schwammig formulierten Sätzen nicht hervor. Jedoch ist ja schon lange bekannt, dass Windows in den Grundeinstellungen viele Nutzerdaten inklusive dem ganzen Nutzungsverhalten sammelt und diese zum Teil nur umständlich deaktiviert werden können. Und der im System eingebaute «Viren- und Bedrohungsschutz» scannt selbstverständlich auch die gesamten Inhalte auf der internen Festplatte. Selbst wenn die lokalen Daten aktuell noch nicht ausgewertet würden, die technische Infrastruktur und die rechtliche Legitimation dazu sind längst vorhanden.

Interessant ist auch der Abschnitt zu den Diensten mit Künstlicher Intelligenz. Darin ist es zum Beispiel untersagt, die KI dazu zu verwenden, die der KI zugrundeliegenden Modelle zu erkunden oder deren Gewichtung zu ermitteln. Dass KIs oft eine einseitige Darstellung von kontroversen Themen aufweisen, haben wir in einer früheren Sendung bereits erläutert. Nun ist es also untersagt, diesem Muster auf den Grund zu gehen.

Was sind aber die Konsequenzen, wenn Microsoft etwas am Tun Ihrer Kunden nicht gefällt? Das wird im Abschnitt «Durchsetzung» erläutert. Von der Blockierung über die Löschung von Inhalten bis zur Sperre von Diensten ist alles möglich.

Auch einige Technik-Blogs und IT-Youtuber haben sich bereits zu dem Thema geäußert und sehen die Entwicklung äußerst kritisch. Einige dieser Beiträge haben wir auf unserer Webseite unter diesem Artikel verlinkt, falls Sie sich mit dem Thema noch ausführlicher befassen möchten.
Der Konsens scheint aber eindeutig. Wer auch künftig die Kontrolle über seine Daten behalten will, wird sich kurz- bis mittelfristig um Alternativen zu Microsoft-Produkten umsehen müssen. In unserem heutigen Lichtblick erfahren Sie mehr dazu.

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1 Kommentar zu “Microsoft ändert Servicevertrag – Totalüberwachung auf dem Heim-PC?”

  • Remo sagt:

    Daß Autohersteller moderner Autos nicht "konstant über Aktivitäten mit dem Auto informiert" würden, ist von Hoch2 etwas naiv.

    https://schweizerzeitung.ch/neuer-servicevertrag-von-microsoft-als-lizenz-zum-schueffeln-heim-pc-als-datenschleuder-und-totalueberwachungs-werkzeug/

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