Die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen schaden vor allem Europa selbst. Wie die Daten der europäischen Energieagentur IEA zeigen, bezahlte die EU im Jahr 2022, im Vergleich zum Vorjahr, rund 270 Milliarden Dollar zu viel für Erdgas. Demgegenüber stiegen gemäß Regierungsangaben aus Moskau die Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl, trotz westlicher Sanktionen, im vergangenen Jahr um rund 28 Prozent. Laut dem britischen Schifffahrtsbüro Vessels Value, hatten die Sanktionen gegen russisches Öl wenig Einfluss auf die Exportzahlen. Gemäß Angaben der Fachzeitschrift Europe Oil Telegram seien die Wege des russischen Rohöls verworren. Seit Ende 2022 sei die Zahl der Tanker, die an anonyme Käufer verkauft wurden, deutlich gestiegen: Eine Art Schattenflotte, die trotz der Sanktionen von satten Prämien aus dem Handel mit russischem Öl profitiere.
Statt nach Europa liefert Russland nun ihr billiges Öl in weit entfernte Länder und macht damit mehr Gewinn als vorher. Die russischen Exporte nach China sind im Jahresvergleich um 38 Prozent gestiegen, in die Türkei um 47 Prozent und nach Indien gar um 577 Prozent. Auch nach Südamerika fließt mehr russisches Öl und selbst Ölstaaten wie die Arabischen Emirate steigerten die russischen Importe um 313 Prozent. Europa verliert, während die USA mehr teures und umweltschädliches Schiefergas und Fracking-Öl in die EU exportieren darf. Von den Sanktionen ist auch russisches Holz betroffen, das eigentlich nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfte. Eine investigative Recherche der ZDF-Redaktion frontal zeigte hingegen, dass russisches Holz nach wie vor den Weg in die EU findet. Vor allem chinesische Holzhändler und Fabrikanten spielten dabei eine Schlüsselrolle. Sie hätten berichtet, dass beinahe der gesamte Birkenholz-Bestand in chinesischen Fabriken aus russischen Wäldern stamme.
Auch von Schweizer Unternehmen wird das Embargo gegen Russland geschickt umgangen, wie eine kürzlich erschienene Analyse der Nichtregierungsorganisation Public Eye zeigt. Der Öl-Markt sei durch die Sanktionen noch undurchsichtiger geworden. Jahrzehntelang waren die Firmen Trafigura, Vitol, Glencore und Gunvor, die Haupthändler von russischem Öl. Mit Einführung der Sanktionen seien die Rohstoffkonzerne durch russische oder chinesische Staatsunternehmen und kleine Händler mit unbekannten Eigentümern ersetzt worden. Diese neuen «Pop-Up Firmen» operierten meist aus Ländern oder Orten wie Dubai oder Hongkong, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Vieles weist darauf hin, dass sie dies im Auftrag oder mit Unterstützung von Großunternehmen tun, die unbemerkt weiterhin mit russischem Öl handeln. Das unscheinbare Schweizer Unternehmen «Paramount Energy & Commodities» mit Sitz in Genf, habe zwischen März 2022 und Februar 2023 nicht weniger als 10 Millionen Tonnen russisches Rohöl exportiert. Das sind rund acht Öltanker pro Monat. Möglich wurde dies mit der Übertragung des Handels an die gleichnamige und in Dubai registrierte Firma. Diese agiert rechtlich unabhängig. Der Geschäftsführer ist aber gleichwohl ein Schweizer Staatsbürger.
Der Mechanismus der Preisobergrenze ermöglicht es westlichen Firmen, weiterhin mit russischem Erdöl zu handeln, sofern sie dafür nicht weniger als 60 US-Dollar pro Barrel bezahlen und es an Länder ohne Russland-Sanktionen verkaufen. Im Gegensatz zu EU-Ländern kontrolliere das in der Schweiz dafür zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft Seco hingegen nicht, ob sich Unternehmen auch wirklich daran halten. Auf Anfrage von Public Eye verlässt sich das Seco auf den guten Willen der Branche, sich selbst zu kontrollieren.
Die Fakten zeigen es immer deutlicher: Die Sanktionen gegen Russland kommen für Europa als Bumerang zurück, und nutzen nur den USA und einigen Großkonzernen, die das Embargo geschickt umgehen. Russland hingegen schaden sie kaum.