Der Wahrheit verpflichtet
15. März 2023 - Fabian Ramseyer

Nord Stream: Absurde Jacht-Theorie

Fabian Ramseyer

Die Sprengungen der beiden Nordstream-Pipelines im Herbst des letzten Jahres sorgten seither immer wieder für journalistischen Sprengstoff und vor allem auch für immer neue Theorien. Die neuste darunter wurde in diversen Massenmedien herumgereicht. Davon lesen und hören konnte man in den New York Times, der WELT, der ARD und im NWR.

Die New York Times schreibt eher vorsichtig von neuen Vermutungen der Geheimdienste. Diese sähen eine pro-ukrainische, nicht-militärische Gruppierung als mögliche Verantwortliche. Dabei wurde betont, dass keine direkte Verbindung zu der ukrainischen Regierung festzustellen sei.

Bei den deutschen Medien findet man schon klarere Worte, so schreibt die ARD:

«… konnte im Zuge der Ermittlungen weitgehend rekonstruiert werden, wie und wann der Sprengstoffanschlag … vorbereitet wurde.»

Dabei liessen die Ermittlungen gemäss ARD-Artikel auf eine 6-köpfige Gruppe unterwegs mit einer Jacht schliessen, die «aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin» bestand. Während die einen Experten von 500 kg Sprengstoff insgesamt ausgehen, reden andere von 300 bis 400 kg pro Sprengung.

Keine sehr schlüssige Theorie. Wir erinnern uns zurück: In der Nacht auf den 27. September 2022 kam es zu einer starken Explosion im Baltischen Meer. Dabei wurde die Pipelines «Nordstream 2» und «Nordstream 1» an insgesamt 3 Stellen stark beschädigt und Methan strömte aus. Wie sich etwas später herausstellte, würden Reparaturarbeiten circa 1 Jahr dauern. Diese wurden übrigens – aus Sanktionsgründen – bis heute nicht einmal begonnen.

Weniger bekannt ist die Eröffungsfeier vom 28. September 2022 am Morgen nach der Explosion für das Projekt «Baltic Pipe». Im Memo der Europäischen Kommission heisst es dazu:

«Today, the Baltic Pipe was inaugurated at an opening ceremony in Goleniów, Poland. The event marks the end of the process of the Baltic Pipe construction, a key route to carry gas from Norway through Denmark to Poland and neighbouring countries.»

Übersetzung:
«Heute wurde die Baltic Pipe im Rahmen einer Eröffnungsfeier im polnischen Goleniów eingeweiht. Die Veranstaltung markiert das Ende des Bauprozesses der Baltic Pipe, einer wichtigen Route, um Gas von Norwegen durch Dänemark nach Polen und in die Nachbarländer zu transportieren.»

Die in Folge der Zerstörung von Nordstream 1 und 2 entstanden Schäden haben vor allem Einfluss auf Deutschland, dessen Industrie massgeblich vom Erdgas von Russland abhängig war. Als vermeintliche «Hilfe» für Deutschland offerierte die USA einen Vertrag für Export von flüssigem Erdgas, welches mit Frachtschiffen nach Europa transportiert werden sollte. Ein Schelm, wer nun denkt, dass die Sprenungen wirtschaftliche Gründe gehabt haben könnten.

Der Vorfall wurde von allen Seiten als ein terroristischer Akt eingestuft und massiv verurteilt. Sehr schnell wurde vom Westen theoretisiert, dass es sich bei der Sabotage wohl um einen Angriff von Russland selbst handeln könnte. Russland reagierte empört auf die Anschuldigungen und wies diese als lächerlich zurück. Seither fordert Russland an der Investigation zum Vorfall teilnehmen zu können, was bisher nicht zugelassen wurde. Die Untersuchungen werden von mehreren Ländern aufgenommen, darunter auch Deutschland.

Die ARD schreibt am 14.10.2022 dazu folgendes:

« () . Auch Taucher und Sprengstoffexperten der Bundespolizei waren dabei. Allerdings kamen die Taucher vor Ort nicht zum Einsatz, da sie nicht die nötige Ausrüstung für einen Tauchgang in 70 Metern Tiefe haben.» 

Danach wurde es eine Zeit lang ruhig um Nordstream.

Vor gut einem Monat veröffentlichte der Pulitzer-Preis-Gewinner Seymour Hersh dann einen Artikel auf Substack und holte damit das Thema wieder aus der medialen Versenkung zurück. In diesem beschreibt er eindrücklich, wie gemäss einer anonymen Quelle aus dem Umfeld des daran beteiligten Tauch-Teams, die USA in Zusammenarbeit mit Norwegen die Pipeline Nordstream 1 und 2 sabotiert hätten.

Kurz zusammengefasst: Gemäss der Quelle von Hersh wurden während der NATO Übung Baltops 22 die Sprengsätze durch Tauchspezialisten der US Marine in rund 70 Metern Tiefe angebracht und dann drei Monate später durch ein norwegisches Aufklärungsflugzeug mittels einer Sonar-Boie gezündet. Der Artikel von Hersh schlug im Internet hohe Wellen, und wurde sofort von der US-Regierung dementiert. Von den meisten Mainstream-Medien wurde der Artikel entweder komplett ignoriert oder als unhaltbar kommentiert und der einst hochgelobte Hersh als Journalist diskreditiert. Doch schlüssiger als die aktuelle Jacht-Theorie ist seine Recherche allemal.

8 0

Schreiben Sie einen Kommentar