Der Wahrheit verpflichtet
24. Mai 2023 - Barbara Hagmann

Nuklear-Allianz ohne Deutschland

Barbara Hagmann
Während Deutschland um Strom betteln muss, einigten sich 16 EU-Staaten auf eine Nuklear-Allianz.
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News vom 24. Mai 2023

Unter der Führung Frankreichs haben sich 16 EU-Staaten auf eine «Nuklear-Allianz» geeinigt. Damit soll die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Kernenergie gestärkt werden. Wie das Newsportal Euractiv schreibt, sei das Ziel des Bündnisses, bis 2050 einen Anteil von 150 Gigawatt Kernkraft am EU-Strommix zu erreichen.

Deutschland machte vor ein paar Wochen Schluss mit der Kernenergie und schaltete seine drei letzten Atomkraftwerke ab. In eine gegengesetzte Richtung gehen Belgien, Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Finnland, Ungarn, die Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Estland, Schweden, Italien und Großbritannien. Sie wollen nun gemeinsam Kernenergie produzieren. Erste Gespräche hatten bereits im Februar und März in Stockholm und Brüssel stattgefunden.

Kopf der Allianz ist die französische Ministerin für Energiewende Agnès Pannier-Runacher. Sie brachte Mitte Mai 15 Minister und Vertreter europäischer Länder nach Paris, um eine gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen. Darin fordern die Akteure die Europäische Kommission auf, die Vorgehensweise der Allianz in der Energiestrategie der EU zu fördern.

Aktuell erreicht die Kernkraft 100 Gigawatt. Um das Ziel der 16 Staaten zu erreichen, müsste die Kapazität um 50 Prozent erhöht werden. Wie Pannier-Runacher in einer Pressemitteilung sagte, bringe die Nuklear-Strategie auch weitere Vorteile:

«Wir schätzen heute, dass die Kernenergie bis 2050 bis zu 150 GW Strom für die Europäische Union liefern kann, was 30 bis 45 neue Hochleistungsreaktoren, die Entwicklung kleiner modularer Reaktoren und 450’000 Neueinstellungen erfordert. Wir begeben uns in Schlachtordnung, um dies zu erreichen. Abgesehen von den Chancen für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze wird dies dazu beitragen, die Energieunabhängigkeit unseres Kontinents zu stärken und unsere Klimaziele zu erreichen, die die ehrgeizigsten der Welt sind.»

Ebenso soll die Abhängigkeit von russischen Brennstäben, die derzeit etwa 20 Prozent ausmachen, durch verstärkte Importe aus den USA, Japan und Südkorea verringert werden. Vor allem osteuropäische Länder sind für ihre Reaktoren auf russische Brennstoff-Lieferungen angewiesen. Pannier-Runacher betont, es könne noch ein Jahrzehnt dauern, bis die Versorgung dieser aus russischer Produktion stammenden Reaktoren durch andere Brennstoffe ersetzt werden können.

Ein weiteres Treffen wird voraussichtlich am 19. Juni in Luxemburg am Rande des europäischen Energierates stattfinden. Bei dieser Zusammenkunft wird die Allianz einen Fahrplan für ihre Pläne ausarbeiten.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen findet die Pläne der «Nuklear-Allianz» nicht nachhaltig genug. Sie weist der Kernenergie eine kleine Rolle in der Dekarbonisierung zu. Im Rahmen der neuen Industriestrategie für saubere Technologien sei diese laut von der Leyen nicht strategisch. Folglich stehen der Atomkraft keine EU-Mittel zu, wie sie in einer Pressekonferenz Ende März bekanntgab:

«In unserem «Net-Zero Industry Act» haben eine ganze Reihe von Netto-Null-Technologien – einschließlich der modernsten Kernkraft – Zugang zu einigen vereinfachten Regeln und Anreizen. Aber nur die Netto-Null-Technologien, die wir als strategisch für die Zukunft erachten – wie zum Beispiel Solarzellen, Batterien und Elektrolyseure – haben Zugang zu allen Vorteilen und Leistungen.»

Wie das Magazin Tichys Einblick schreibt, protestiere die deutsche Bundesregierung dagegen, Kernkraft als nachhaltig anzuerkennen. Erdgas und Windräder werden in Berlin als Energiequelle der Zukunft angesehen. Eine aktuelle Karte der Stromimporte und -exporte zeigt allerdings, dass deutsche Energieversorger in den Nachbarländern zunehmend um Strom betteln müssen.

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