Der SwissPass ist wohl die meistgenutzte Plastikkarte in der Schweiz. Das macht sich die SBB zunutze und sammelt fleißig Daten. Wie die Konsumentenzeitschrift Saldo vor kurzem berichtete, seien rund 6 Millionen General- und Halbtaxabo-Besitzer davon betroffen. Es werden Akten angelegt, die weit über die üblichen Kontaktangaben hinausgehen. So lassen sich auch Vorlieben und familiäre Verhältnisse herauslesen.
Das Konsumentenmagazin hatte Zugriff auf solche Dossiers, die teilweise über 100 Seiten umfassen, und das jeweils für eine einzige Person. Darüber hinaus geht die Datensammlung Jahrzehnte zurück. Die Bahn speichert, wer wohin reist und was er am Zielort tut. Egal, ob ein Besuch im Verkehrshaus, Skifahren in Braunwald, die Spritztour mit dem Mobility-Auto oder das Vergnügungsbad im Säntis-Park: Big Brother SBB reist im Gepäck heimlich mit. Dass so viele Daten erfasst werden, habe auch damit zu tun, dass die SBB mit über 100 anderen Unternehmen zusammenarbeite. Damit die Bahnkunden deren Angebote benutzen, werden sie mit Rabatten geködert.
Ferner wird das Einsatzgebiet der SwissPass-Karte zunehmend ausgeweitet und damit auch die Datenmenge erhöht. Anstatt eines Hotelschlüssels muss beispielsweise nur noch das SBB-Kärtchen gezückt werden. Auch als Zahlungsmittel findet der «SBB-Passpartout» Verwendung. Bis Ende März 2022 war dieser sogar ein heißer Kandidat für die stark umstrittene SwissID. Nach rund zwei Jahren war allerdings Schluss mit der Partnerschaft zwischen SwissID und SBB. Laut Bahn sei die zusätzliche Login-Möglichkeit via SwissID von den ÖV-Kunden kaum genutzt worden.
Zurück zur SBB-Akte: Wer diese beim ÖV-Anbieter anfordert, erhält gemäß Saldo womöglich auch einen zweiten Auszug mit «Kontrolldaten». Dabei handelt es sich um Angaben, wann und auf welchen Strecken der Reisende im Zug kontrolliert wurde und welche Billette er vorgezeigt hat. 2016 intervenierte der damalige Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Jean-Philippe Walter erfolgreich gegen diese Speicherung. Denn mittels dieser Kontrolldaten konnten die SBB umfangreiche Bewegungsprofile ihrer Kunden erstellen. Wie Saldo berichtet, habe der Bahnbetrieb die Kontrolldatenbank 2018 heimlich wieder eingeführt. Dass die Daten während 90 Tagen gespeichert werden, was auch in der Datenschutzerklärung deklariert sei, bestätigte die SBB gegenüber dem Konsumentenportal.
Bereits im Februar geriet die SBB unter Beschuss. Damals ging aus einem K-Tipp-Bericht hervor, dass die Bahn ab September ihre Passagiere auf Schritt und Tritt bespitzeln wolle. Dafür sollten 57 Bahnhöfe mit neuen Kameras mit Gesichtserkennung ausgestattet werden. Ziel sei es, Daten in hoher Qualität zu beschaffen, um Personenbewegungen an Bahnhöfen zu analysieren. Nach einem medialen Shitstorm fuhr die SBB ihre Pläne allerdings zurück und verkündete auf ihrer Webseite, dass sie weder Kameras mit Gesichtserkennung einsetzen noch biometrische Daten erfassen werde.
Gesichtserkennung hin oder her: Bereits heute sind Schweizer Bahnhöfe mit Kameras übersät; Anonymität scheint für die SBB ein Fremdwort geworden zu sein.