Der Wahrheit verpflichtet
29. März 2023 - Stephan Seiler

Schweizer Waffen-Trick

Stephan Seiler
Nachdem sich der Nationalrat für ein Nein zu Waffenlieferungen aussprach, versuchen nun Schweizer Politiker mit einem fiesen Trick, dies doch noch durchzusetzen.
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News vom 29. März 2023

Das Neutralitätsrecht verbietet es der Schweiz, ein Land im Krieg gegen Drittstaaten militärisch zu unterstützen. Im Gegenzug ist das Schweizer Staatsgebiet unverletzlich. Geregelt ist dies im Völkerrecht der UNO. Im Gegensatz dazu wollten einige Exponenten des Nationalrats die Schweiz zur Kriegspartei gegen Russland machen und die Wiederausfuhr von Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine erlauben. Nun hat die Mehrheit des Nationalrats diesem Vorhaben zum Glück ein Ende bereitet. Das Thema sollte nun vom Tisch sein, könnte man meinen. Wie die Sonntags Zeitung kürzlich berichtete, wird die Debatte durch dieselben Kriegstreiber mit einem fiesen Trick wieder in Schwung gebracht: Mit dem sogenannten «Uniting for Peace», zu deutsch: «Vereint für den Frieden». Die UNO-Generalversammlung kann dieses Verfahren auch ohne Genehmigung des Sicherheitsrates auslösen. Denn im Sicherheitsrat hat Russland ein Veto-Recht und könnte einen entsprechenden Beschluss verunmöglichen. Das Instrument wurde letztmals in den 1950er Jahren während des Koreakriegs eingesetzt. Mittlerweile sei «Uniting for Peace» auch im Ukraine-Krieg zur Anwendung gekommen. Für den emeritierten Berner Rechtsprofessor Thomas Cottier ist der Fall klar:

«Uniting for Peace erzielt in der Praxis der UNO-Generalversammlung Rechtswirksamkeit. Dadurch wird die Weiterleitung von in der Schweiz hergestellten Waffen in die Ukraine legitimiert.»

Die Aargauer FDP-Nationalrätin Maja Riniker, die während der Pandemie für das diskriminierende Covid-Zertifikat Stimmung machte, ist auch bei den Waffenlieferungen federführend:

«Uniting for Peace ist eine gute Grundlage, um Waffenlieferungen in die Ukraine zu erlauben (…) Wir müssen alles unternehmen, um möglichst viele Skeptiker zu überzeugen.»

Riniker will ausgemusterte Leopard-Panzer nach Polen liefern, damit sie von dort in die Ukraine gelangen können. Die irrsinnige Idee wird von ihrem Parteikollegen Thierry Burkart unterstützt, der gleich für alle Staaten auf das Wiederausfuhrverbot verzichten will. Damit plädieren sie für Waffenlieferungen gegen eine Atommacht. Als wären die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland durch die Schweiz nicht schon schlimm genug.

Doch nicht nur Riniker spricht sich für Waffenlieferungen gegen Russland aus, sondern auch Politikerinnen und Politiker der GLP, der Mitte-Partei, der FDP und der linken SP. Bei einem Treffen hätten die vier Parteien gar ein Gutachten beim österreichischen Rechtswissenschaftler Peter Hilpold in Auftrag gegeben. Warum gerade Hilpold als Experte angefragt wurde, wird schnell klar, wenn man seine Publikationen genauer unter die Lupe nimmt. In der Wiener Zeitung schrieb er beispielsweise einen Gastkommentar, indem er die Neutralitätsverpflichtung als «Relikt aus vergangenen Tagen» betitelt.

Im Schatten der Corona-Krise, von der europäischen Öffentlichkeit völlig unbemerkt, hat die Europäische Union im März 2021 die sogenannte «Europäische Friedensfazilität» geschaffen: Eine Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit, die über ein eigenes Budget verfügt und die gemeinsamen Kosten von länderübergreifenden militärischen Operationen finanziert. Gewissermaßen eine europäische Kriegskasse, die zudem auch noch außerhalb der rechenschaftspflichtigen Haushalte agiert. Hilpold erklärt, wie eine solche Kriegskasse mit der Neutralität einzelner Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, vereinbar ist: An Maßnahmen, die mit direkter Anwendung von tödlicher Gewalt verbunden sind, müssten sie sich nicht beteiligen. Wohl aber an sogenannten «Unterstützungsmaßnahmen», zum Beispiel für die ukrainischen Streitkräfte. Und dies mit demselben Betrag, bezogen auf die Wirtschaftsleistung, wie es nicht neutrale Staaten müssen. Damit wurde die Neutralitätsverpflichtung für EU-Mitgliedsstaaten mit einem geschickten und gleichzeitig teuflischen Juristenwerk umgangen. Nun wollen auch Schweizer Parteien trotz einem klaren Nein des Nationalrats mit einem ominösen Schachzug Waffen in die Ukraine liefern. Was dies für unser eigentlich neutrales Land bedeuten könnte, haben sie sich offenbar nicht überlegt.

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