Der Mord an der 12-jährigen Luise hat Deutschland erschüttert. Es soll sich um einen Racheakt gehandelt haben. Offenbar hatten sich die drei Schülerinnen im Vorfeld gestritten. Medienberichten zufolge soll sich das spätere Opfer über jemanden lustig gemacht haben. Was folgte, war ein grausamer Mord: 75 Mal wurde mit dem Messer auf Luise eingestochen. Zumindest dies deutet daraufhin, dass enormer Hass im Spiel gewesen sein muss. Die Brisanz: Die Täterinnen sind im gleichen Alter wie ihr Opfer.
Weiter heißt es in den Medien, die beiden Täterinnen hätten den Mord von langer Hand geplant. Zudem hätten sie sich im Netz über die Frage der Strafmündigkeit schlaugemacht. Entsprechende Beweise wurden sichergestellt. Dieser Fund legt den Verdacht nahe, dass die Mädchen vor dem Mord sicher gehen wollten, straffrei davon zu kommen. Täter unter 14 Jahren können in Deutschland nämlich nicht belangt werden.
Ein weiterer Fall von Misshandlung ereignete sich im Februar in Heide. Ein Video auf TikTok zeigte, wie eine Gruppe von zwölf Mädchen eine 13-Jährige misshandelte. Einige der mutmaßlichen Täterinnen sind ebenfalls noch nicht strafmündig und können für die Tat nicht angeklagt werden. Astrid Heidorn, Pressesprecherin bei der Polizei Itzehoe, zeigte sich betroffen:
«Ich habe schon einiges erlebt bei der Polizei. Wenn man sich dieses Video anschaut, muss man schon sagen, dass da eine besondere Brutalität und besondere Rohheit vorliegt.»
Laut Kriminalstatistik 2022 stehen in Deutschland immer häufiger Kinder im Verdacht, Straftaten begangen zu haben. Gegenüber 2019, dem Jahr vor Corona, sind es plus 35,5 Prozent. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens nahm zur steigenden Jugend- und Kinderkriminalität Stellung und verharmloste die Tendenz:
«Sich ausprobieren und Grenzen austesten – das gehört zum Heranwachsen dazu.»
Die SPD-Politikerin ergänzte, man stelle nach Corona einen alarmierenden «Nachholeffekt» fest. Straftaten als Nachholeffekt zu bagatellisieren, ist mehr als grenzwertig. Will Behrens die steigende Kinder- und Jugendkriminalität tatsächlich damit rechtfertigen, dass die Kids nach den corona-bedingten Einschränkungen wieder Dampf ablassen müssen?
Fakt ist, dass sich ein besorgniserregender Trend abzeichnet: Immer öfter kommt es zu Raubzügen und Gewalttaten von erschreckend jungen Tätern. So sorgte im Januar auch ein Fall in Gelsenkirchen für Aufsehen. Eine Bande soll an einer Gesamtschule mehrere Schüler beraubt, bestohlen und erpresst haben. Auch hier sind die Tatverdächtigen zwischen 12 und 15 Jahre alt und damit selbst noch Kinder.
Gerade die Fälle von Freudenberg und Heide haben die Debatte der Strafmündigkeit ins Feld geführt. Soll die Altersgrenze herabgesetzt werden? Ein Argument, welches dafür sprechen würde, ist im Magazin Tichys Einblick zu finden. Für den Bildungskritiker Josef Kraus ist die Strafmündigkeit, deren Festlegung auf 1923 zurückgeht, revisionsbedürftig:
«Nun haben wir das Phänomen der säkularen Akzeleration (also eine seit einem Jahrhundert beschleunigte biologische Reifung) und eine Reihe von neuen (vor allem auch negativen medialen) Einflüssen auf die Heranwachsenden. Die Umstände und die Prägungen, mit denen junge Leute aufwachsen, sind also andere als vor hundert Jahren.»
Auch die Täter von sexuellen Übergriffen werden immer jünger. 2019 schlug ein Vergewaltigungsfall in Mühlheim an der Ruhr hohe Wellen, wonach eine junge Frau Opfer einer Gruppe von 12- bis 14-Jährigen wurde.
Nicht zu vernachlässigen ist die Gewaltneigung und Mobbing in den sozialen Medien. Zwar werden die Kids im Netz nicht mit Messern attackiert, aber die emotionale Misshandlung kann dazu führen, dass sich die Oper selbst verletzen.
Auch hierzulande haben die Straftaten von Kindern seit 2019 zugenommen. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist einen Anstieg von 23 Prozent bei den 10- bis 14-Jährigen aus. Generell gilt in der Schweiz: Ab 10 Jahren können Kinder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Bis zum 18. Lebensjahr gilt für sie jedoch das Jugendstrafrecht.