Der Wahrheit verpflichtet
30. August 2023 - Patrick Castelberg

Unzufriedene Bürger zerstören Überwachungskameras

Patrick Castelberg
Neu ist sie nicht, die ULEZ – die Ultra Low Emission Zone in London, also eine Zone mit extrem niedrigen Emissionen – doch jetzt gibt es Zoff.
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News vom 30. August 2023

Im Jahr 2014 präsentierte der damalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson Pläne für die Errichtung einer solchen Umwelt-Zone, die das gleiche Gebiet wie die City-Maut abdecken sollte. Das Inkrafttreten war für 2020 geplant. In der Zwischenzeit führte Johnsons Nachfolger Sadiq Khan per 2017 eine sogenannte Toxicity-Charge ein, eine Steuer für nicht konforme Fahrzeuge, welche dann durch die frühzeitig eingeführte ULEZ-Steuer per 2019 abgelöst wurde. Nicht konform bedeutete, dass Halter emissionsstarker Fahrzeuge für das Befahren der Zone mit einer Tagesgebühr von 10 Pfund zur Kasse gebeten wurden. Dies scheint sich zu rechnen: so spülte die ULEZ-Steuer im Jahr 2022 satte 224 Millionen Pfund in die Kasse. Als Erfolg könnte man werten, dass der Schadstoff-Ausstoß und die nicht konformen Fahrzeuge in der Umwelt-Zone tatsächlich reduziert wurden. Soweit so gut. Aber es ist wie immer: Wenn Regierungen und Behörden feststellen, dass irgendwo gutes Geld gemacht werden kann und die Aufschreie der Bürger noch gut zu überhören sind, wird zu Ungunsten der Bevölkerung weiter optimiert.

Nach der inneren Erweiterung der Zone im Jahr 2021 wurde nun per gestern, dem 29. August, die Zone weiter vergrössert. Dies auf sämtliche 32 Londoner Bezirke. Der Tagespreis wurde von 10 auf 12.50 Pfund angehoben und gilt jeden Tag, außer am Weihnachtstag, dem 25. Dezember. Haben die bisherigen Gebühren vor allem Menschen betroffen, die geschäftsmäßig gezwungen waren, sich mit eigenen Fahrzeugen in Londons Innenstadt zu bewegen, sind jetzt vor allem Menschen der niedrigeren Einkommensschichten der Außenbezirke betroffen – jene, die sich kaum ein Fahrzeug der geforderten Emissionsnormen leisten können. Für benzinbetriebene Fahrzeuge gilt die EURO-4-Norm, was die meisten Fahrzeuge ab Baujahr 2006 erfüllen und bei Dieselfahrzeugen die EURO-6-Norm, was Fahrzeuge neuer als Baujahr 2015 betrifft.

Nun, diese Zonen-Anpassung kam nicht wirklich überraschend. Bereits im September 2022 berichtete beispielsweise der Daily Express über die Einführung der neuen ULEZ-Zonen und der damit einhergehenden Mehrbelastung von satten 4500 Pfund im Jahr bei täglichen Fahrten in den ULEZ-Zonen. Sehr anschaulich wurden diese mit einer Übersicht präsentiert: ganz innen in Rot, die Zone seit April 2021, dann die erste Vergrößerung per Oktober 2021 und schließlich die aktuelle Anpassung per Ende August 2023.

Für viele Menschen in den Außenbezirken ist eine solche Mehrbelastung kaum tragbar. Gemäß Bürgermeister Sadiq Khan würden im Gegenzug rund 5 Millionen Menschen bessere Luft zum Atmen haben. Als Zückerchen bietet er den betroffenen Londonern einen kleinen Happen von 2000 Pfund aus dem aufgestockten Abwrackprämien-Topf an. Für die meisten betroffenen Automobilisten dürfte das ein Tropfen auf den heißen Stein sein, weil man dafür kaum ein modernes Fahrzeug bekommt. Auch der Verkauf des Altwagens würde nur wenig bringen, denn kaum einer kauft sich einen Gebrauchtwagen, der bereits schon bei der Anschaffung mit einer Tagessteuer von 12.50 Pfund belegt ist. Der Royal Automobile Club RAC geht davon aus, dass fast 700’000 Fahrzeuge in den Außenbezirken betroffen sind.

Diejenigen Menschen, die sich kein neueres Auto leisten können, aber täglich auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, werden nun monatlich um rund 250 Pfund, was etwa 280 Franken oder 290 Euro entspricht erleichtert. Und dies nur für Arbeitsfahrten, Freizeit ist da noch nicht einkalkuliert.

Für eine etwas zweifelhafte Abhilfe sorgt nun eine Aktivisten-Gruppe, die sich «Blade Runner» nennt. Wohl frei nach dem Kino-Hit gleichen Namens. Diese Gruppe hat die Dinge kurzerhand in die eigene Hand genommen. So wurden in den Nächten rund um die Einführung der neuen ULEZ-Zonen hunderte von Überwachungskameras sabotiert oder gestohlen. Alexander Raue berichtet darüber auf seinem Youtube-Kanal.

Ob das nun die richtige Art des Widerstandes ist, sei mal dahingestellt. Dass derartige Regierungs-Aktionen entsprechenden Widerstand triggern, ist durchaus verständlich und es stellt sich letztlich nur die Frage, wann ist bei wem die Schmerzgrenze erreicht – und wann es zur Eskalation kommt.

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