Aktuell wird Polen von einem Bündnis verschiedener Parteien regiert, dem die PiS, zu Deutsch: Recht und Gerechtigkeit, vorsteht. Eine konservative Partei, die von linken Kreisen wegen ihrer zum Teil EU-kritischen Haltung oft kritisiert wird. Die PiS verfügt aber nur im Sejm, also der ersten Parlamentskammer, über eine Mehrheit. Im Senat ist die Opposition in der Überzahl, weshalb die im Mainstream oft zu hörenden Vorwürfe, Polen schaffe die Demokratie ab, maßlos übertrieben sein dürften. Erst kürzlich wurde ein Gesetz verabschiedet, welches es den Behörden erleichtert, gegen Politiker zu ermitteln, die verdächtigt werden, unter russischem Einfluss zu stehen. Von Kritikern wird befürchtet, dass dies auch Donald Tusk betreffen könnte, welcher momentan der Führer der größten Oppositionspartei ist, sich klar als Pro-EU positioniert und dort von 2014 bis 2019 als EU-Ratspräsident agierte. Von 2007 bis 2014 war er bereits polnischer Ministerpräsident, bevor er von der PiS abgelöst wurde. Außerdem steht er für Abtreibung ein. Diese ist in Polen nach wie vor verboten.
Das Referendum, welches gleichzeitig mit den Parlamentswahlen stattfindet, betrifft nicht nur ein Thema, sondern gleich vier. Es geht um die Privatisierung staatlicher Unternehmen, die Anhebung des Rentenalters, eine EU-Flüchtlingsaufnahme sowie die Grenzkontrollen zwischen Polen und Weißrussland.
Die Fragen, welche jeweils mit Ja oder Nein beantwortet werden können, lauten:
«Frage 1:
Unterstützen Sie den Verkauf von Staatsvermögen an ausländische Unternehmen, der zum Verlust der polnischen Kontrolle über strategische Wirtschaftssektoren führt?Frage 2:
Befürworten Sie eine Anhebung des Renteneintrittsalters (...) auf 67 Jahre für Männer und Frauen?Frage 3:
Unterstützen Sie die Beseitigung der Barriere an der Grenze zwischen der Republik Polen und der Republik Belarus?Frage 4:
Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden von illegalen Einwanderern aus dem Nahen Osten und Afrika gemäß dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Zwangsumsiedlungsmechanismus?»
Gemäß aktuellen Umfragen liegt das amtierende Bündnis um die PiS mit leichtem Vorsprung in Führung. Die Opposition hat mit geschickt inszenierten Protesten Stimmung gegen die Regierung gemacht. Sie fordert die Bevölkerung sogar dazu auf, das Referendum zu boykottieren. Denn es müssen mindestens 50 % der Stimmberechtigen daran teilnehmen, damit es gültig ist. Sie macht der Regierung den merkwürdigen Vorwurf, das Referendum für ihre Zwecke zu missbrauchen. Der Grund dafür dürfte sein, dass die Opposition befürchtet, dass das Referendum nicht nach ihren Wünschen ausfallen wird. Dieses Vorgehen wundert nicht, ist Tusk doch schon mehrfach durch grundrechtsverachtende Positionen aufgefallen. Seit September sind zudem polnische Konsulate mit dem Vorwurf konfrontiert, illegale Visa für nicht EU-Bürger ausgestellt zu haben, wogegen die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat. Es bleibt also spannend, was am Sonntag in Polen passieren wird. Zur Wahl und Abstimmung am Sonntag sind rund 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger aufgerufen.